Elvine und die Kinder

2. November 2024, 06:57

"Als ich ein Kind war und mich in glänzenden Verhältnissen befand, da verglich ich mein Los mit dem der Armen, von denen ich mich umgeben sah. Ich fragte mich: "Wie kommt es, dass eine so ungleiche Verteilung auf Erden unter Gottes Zulassung besteht? Ich lebe in Überfluss und andere müssen darben …"

Das schreibt Gräfin Elvine de La Tour im Jahr 1916 im Rückblick auf ihr Leben. Elvine wird 1841 in Görz als zweites von fünf Kindern in eine steinreiche Großindustriellenfamilie geboren. Schon früh nimmt sie die "leidende Kinderwelt" ihrer Zeit wahr: bittere Armut, Verwahrlosung, kein festes Zuhause. Damals wurde beinahe die Hälfte der Kinder in Kärnten und in den benachbarten Regionen unehelich geboren.

Ihre Eltern, Mägde und Knechte, denen Heirat und Familiengründung verwehrt war, hatten weder das Geld noch die Zeit, sich um die Kinder zu kümmern. Beim besten Willen nicht, wie die Bitte eines Knechts, der fünf uneheliche Kinder mit einer Magd hatte, zeigt. Er schreibt: "Nehmen Sie ein Kind von mir in Pflege, wir müssen oft mit den Kindern Hunger leiden."

Elvine de La Tour nimmt Kinder auf. 1873 gründet sie einen Waisen- und Erziehungsverein für Mädchen in Görz. 1885 weitet sie ihr Engagement auf Treffen in Kärnten aus. Sie gründet eine Schule, schafft Heimplätze - und wird damit zur Mitbegründerin der heutigen Diakonie. Nach dem Tod ihres Vaters hat Gräfin Elvine de La Tour die finanziellen Mittel, um einen Weg zu finden, "einen Ausgleich zu schaffen und die Not meiner Mitmenschen zu lindern", wie sie 1916 rückblickend schreibt. "Dieser Gedanke machte mich sehr glücklich." Der Blick auf das Leben von Elvine de La Tour zeigt mir, dass die "ungleiche Verteilung auf Erden" nicht gottgegeben ist, dass man etwas tun und Armut bekämpfen kann - und dass teilen alle reicher und glücklicher macht.

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