Peter Weibel. 2015 (Konzert im 21er Haus)

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Radiokolleg

Lexikon der österreichischen Popmusik (4)

Peter Weibel & Hotel Morphila Orchester

Eines vorweg: das Hotel, von dem hier die Rede ist, existiert nicht. Es war immer ein Phantasiegebäude. Das dazu imaginierte hoteleigene Orchester gab es freilich schon: als die vielleicht eigenwilligste, kunstfertigste und radikalste Version einer österreichischen Rockband, die man sich ausmalen kann. Es war die Vision von Peter Weibel und Loys Egg, die sich in der Hochschule für angewandte Kunst in Wien in den späten siebziger Jahren über den Weg liefen. Ersterer als Lehrbeauftragter - Weibels spätere Karriere als Professor, Kurator und akademischer Welterklärer lag noch in den Anfängen -, letzterer als Assistent. Beide produzierten auch Kunst. Da man sich von der erstarrten Kunstmarkt-Szene absetzen wollte, beschloss man, Krach zu schlagen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Musikalische Simplizität war ein Mittel zum Zweck, geboren aus dem Geist des Garagen-Rock und Punk. Textlich schloss Weibel dagegen ungeniert bei Friedrich Nietzsche und William Shakespeare genauso an wie bei Ernst Jandl. Avantgarde, Baby!

Das Werk des Hotel Morphila Orchesters - der Name war abgeleitet vom Hotel Orphila in Paris, in dem einst Strindberg logierte, vermischt mit Prisen Orpheus, Morpheus und Morphium - blieb allerdings schmal. Ein wesentliches Album war "Schwarze Energie", erschienen 1982, das u.a. den Underground-Hit "Sex in der Stadt" enthielt. Präsentiert wurde das Werk vom Aufmerksamkeits-Hasardeur und ehemaligen Aktionisten Peter Weibel in einer Telefonzelle. Das Hotelorchester existierte im Wesentlichen nur von 1978 bis 1984; spätere Alben, CD-Compilations und Live-Auftritte hatten einen retrospektiv-sentimentalen Beigeschmack. Für großen Auflauf sorgte anno 2015 eine Personale ("Peter Weibel - Medienrebell") im Belvedere 21, bei dem auch das Orchester nochmals einen großen Auftritt hatte. Weibels Tod 2023 setzte einen unerwarteten Schlussakkord.

Der Musikkritiker Didi Neidhardt bezeichnet das Hotel Morphila Orchester als "eines der wichtigsten Kapitel der heimischen Rock-Historie", sein Kollege Drehli Robnik gar als "die modernste, seltsamste und beste österreichische Rockband aller Zeiten". Man ist geneigt, sich demütig anzuschließen.

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