Begegnung am Morgen

18. November 2024, 06:57

Die ersten Minuten des Tages verbringe ich oft alleine. Vielleicht habe ich eben noch an der Seite eines Menschen geschlafen und geträumt. Inmitten der sich bereits verflüchtigenden Begegnungen mit Bekannten und Unbekannten im Schlaf, begegne ich mir selbst wieder und doch jeden Morgen ein wenig wie zum ersten Mal.

Vielleicht spricht eine Stimme aus dem Radio zu mir, ertönt Musik oder die scheinbar wichtigen Zahlen des Tages werden genannt. Ich ächze, stöhne, seufze, gähne, spreche mit mir selbst oder verrichte still und automatisch das Allmorgendliche. Ich begegne dem ersten Menschen des Tages vielleicht am Weg in die Küche oder aufs Klo.

Ich reiße ein Kind aus einem Traum. Eine Katze streift mir um die Beine und miaut, weil sie Hunger hat oder gestreichelt werden will. Die Welt schaut mich durchs Fenster an. Von der Nacht noch verdunkelt oder schon sanft erleuchtet. Ich habe eine vage oder ganz genaue Ahnung von dem Tag, der vor mir liegt, bin voller Vorfreude auf eine lang erwartete, im Terminkalender ewig hin- und hergeschobene Begegnung, die ich eher mit dem Wort Treffen bezeichne, mit einer Person, die ich Freundin oder Freund nenne.

Oder eine schon tagelang im Kopf durchgespielte Begegnung steht mir bevor, die nicht auf Augenhöhe stattfinden wird, bei der ich mich rechtfertigen, ja gar beweisen muss. Noch bin ich nicht in die Welt der alltäglichen, zufälligen Begegnungen - unterwegs oder am Arbeitsplatz - eingetreten, am Gang, zwischen Tür und Angel, aus den Augenwinkeln, beim aneinander Vorbeigehen in den Straßen und U-Bahnschächten, die am Ende des Tages in meinen Träumen weiterwirken oder gar mein ganzes Leben auf den Kopf stellen werden.

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• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler