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Gedanken für den Tag
Puccini und das menschliche Mittelmaß
von Michael Krassnitzer, Publizist, Wissenschaftsjournalist und Experte für Populärkultur, zum 100. Todestag von Giacomo Puccini
26. November 2024, 06:57
Giacomo Puccini, dessen Tod sich dieser Tage zum 100. Mal jährt, war ein großer Opernkomponist, aber ein ganz gewöhnlicher Mensch.
Er war kein Rebell. In seinen zahlreichen Briefen formulierte er keine brillanten Einsichten. Er liebte schnelle Autos und ging gerne auf die Jagd. Er war ein Frauenheld, was damals in bürgerlichen Kreisen zum guten Ton gehörte. Am wohlsten fühlte er sich in seinem Landhaus in der kleinen Ortschaft Torre del Lago in der N ähe seiner Geburtsstadt Lucca. Vertrauten gegenüber äußerte er manchmal den Wunsch, aus den bürgerlichen Konventionen auszubrechen, aber dazu fehlte ihm der Mut.
Dass auch menschliches Mittelmaß große Kunst hervorzubringen vermag, ist ein tröstlicher Gedanke. Denn viele Eigenschaften, die bis vor Kurzem, als typisch, als geradezu konstitutiv für das Wesen des Künstlers betrachtet wurden, sind unter den nachrückenden Generationen verpönt. Nonkonformismus, Eigensinnigkeit, der sogenannte "schwierige Charakter" gelten heute unter jungen Künstlern und Künstlerinnen als "toxisch" und unerwünscht.
Mein persönlicher Eindruck ist, dass viele junge Künstler heutzutage extrem angepasst sind. Nicht unbedingt an die Konventionen der Gesamtgesellschaft - aber an rigorose, selbst auferlegte Verhaltensregeln und Denkvorgaben. Kunst aber besteht gerade darin, Regeln und Vorgaben zu überschreiten. Grundsätzlich glaube ich: Wer von seinem Charakter her nicht zur Grenzüberschreitung neigt oder sich Grenzüberschreitungen konsequent versagt, dessen Kunst wird nicht über das Gewohnte und das Gewöhnliche hinausgehen.
Immerhin: Das Beispiel Giacomo Puccini zeigt, dass meine Befürchtung nicht hundertprozentig zutrifft. Auch Menschen, die im Korsett ihrer Konventionen gefangen sind, können anscheinend große Kunst hervorbringen. Auch wenn diese Erkenntnis meinem persönlichen Empfinden widerspricht: Als Kunstliebhaber bin ich darüber sehr froh.
Service
Sendereihe
Gestaltung
Übersicht
Playlist
Komponist/Komponistin: Giacomo Puccini 1858 - 1924
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Luigi Illica 1857 - 1919
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Giuseppe Giacosa 1847 - 1906
Album: Puccini - Arien und Duette
Titel: Quando m'en vo soletta / Walzer der Musetta aus "La Boheme"/2.Akt
Anderssprachiger Titel: Will ich allein des Abends in Paris mich ergehn
Populartitel: Musette-Walzer
Solist/Solistin: Ghena Dimitrova
Orchester: Philharmonia Orchestra London
Leitung: Anton Guadagno
Ausführender/Ausführende: Anton GUADAGNO 2.5.1925 Castellamare del Golfo (Trapani), Italien - 16.8.2002 Wien
Länge: 02:30 min
Label: EMI 7625202