Wassily Kandinsky: Neues Wagen

11. Dezember 2024, 06:57

Braungrün, Ocker, Schwarz. Linien, Farben, Flächen. Gegenstände kann ich keine erkennen. Mein Blick kommt kaum zur Ruhe, so vibrierend wirkt dieses großformatige Ölbild. Herausragend: Eine schlangenförmige, dicke schwarze Linie bewegt sich von rechts oben in Richtung Bildmitte.

Die Jury der Neuen Künstlervereinigung München hat diese weitgehend abstrakte "Komposition 5" im Jahr 1911 vehement abgelehnt - mit der Begründung, sie sei nicht verständlich. Gemalt hatte das Bild der 1866 in Moskau geborene und seit 1896 in der damaligen europäischen Kunstmetropole München lebende Wassily Kandinsky. Der Maler hat sich nicht entmutigen lassen. Schnell entschlossen hat er gemeinsam mit Gabriele Münter und Franz Marc den "Blauen Reiter" gegründet. Das abgelehnte Bild wurde noch im selben Monat in der ersten Ausstellung der neuen Künstlergruppe gezeigt.

Bereits in den Jahren davor hatte sich Kandinsky von der Welt der Gegenstände zu lösen begonnen und Aquarelle sowie Gemälde geschaffen, in denen farbige Flächen und bewegte Linien dynamisch erscheinende Bildwelten erzeugen. In die Kunstgeschichte ist Kandinsky als Pionier der abstrakten Kunst eingegangen. Mittlerweile wird bezweifelt, dass er wirklich das erste abstrakte Bild gemalt hat.

Unhinterfragt sind sein Mut und seine Konsequenz in Bezug auf das Einschlagen und Weiterverfolgen neuer Wege in der Kunst - und das trotz widriger Lebensumstände, die immer wieder von Verfolgung und Flucht geprägt waren. Dabei hatte die Kunst für ihn stets eine spirituelle Dimension. Es sei sein Lebensziel gewesen, "eine Komposition zu malen", so Kandinsky: "Dieses Wort wirkte auf mich wie ein Gebet."

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