ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
Gedanken für den Tag
Friederike Mayröcker und das Skandalon des Todes
Cornelius Hell, Literaturkritiker und Übersetzer, zum 100. Geburtstag von Friederike Mayröcker
20. Dezember 2024, 06:57
Heute vor hundert Jahren wurde Friederike Mayröcker in Wien geboren. Gerne hätte sie, wie sie einmal sagte, wenigstens 150 oder gar 200 Jahre gelebt wie jede gewöhnliche Schildkröte. Als sie am 4. Juni 2021 starb, war sie fast 97 Jahre alt. Den Tod nannte sie einen "Eklat, ein Skandalon, eine Frivolität".
Hautnah kennengelernt hat sie den Tod erstmals, als die geliebte Großmutter gestorben ist. Der schmerzlichste Einschnitt in ihrem Leben war der Tod von Ernst Jandl im Juni 2000. Noch in den eben erst erschienenen Gesammelten Gedichten der Jahre 2004 - 2021 finden sich schmerzliche Reminiszenzen an den jahrzehntelangen Lebenspartner.
Etwa 120 Bücher hat Friederike Mayröcker veröffentlicht. Über 80 Jahre lang - bis unmittelbar vor ihrem Tod - hat sie unablässig geschrieben. Ort des Schreibens war ihre legendäre Wohnung, die noch bis 16. Februar 2025 in der Ausstellung des Literaturmuseums der Österreichischen Nationalbibliothek virtuell zu begehen ist.
Ich war mit Friederike Mayröcker in Kontakt, sie war ja auch eine Hörerin der "Gedanken für den Tag", und gelegentlich schrieb sie mir dazu ein handschriftliches Kärtchen. Zu ihrem 90. Geburtstag im Dezember 2014 war ich mit ihr in einem Kaffeehaus zum Gespräch für die Sendung "Lebenskunst" verabredet. Doch dort war es so laut, dass an eine radiotaugliche Aufnahme nicht zu denken war. Also nahm sie mich mit in die Wohnung, und wir schlängelten uns durch den schmalen Gang zwischen all den Stapeln, Zetteln und Körben ihrer Dichterwerkstatt.
Doch was diese Wohnung für sie bedeutet hat, begreife ich erst jetzt, wenn ich den Brief lese, den sie aus Angst vor einem Einbruch im April 2015 im Vorraum platzierte. Darauf stand geschrieben: "Lieber Herr Einbrecher / bitte zerstören Sie nicht meine / Schreibwerkstatt: bin Dichterin / und habe nur meine eigenen Bücher / und NOTIZEN für neue Werke / danke"
Service
Friedericke Mayröcker, "fleurs", Suhrkamp
"cahiers", Suhrkamp
"études", Suhrkamp
"Magische Blätter I-V", Suhrkamp
Marcel Beyer (Hg.), "Gesammelte Gedichte 2004-2021", Suhrkamp
Erika Kronabitter (Hg.), "HAB DEN DER DIE DAS. Der Königin der Poesie Friederike Mayröcker zum 90. Geburtstag", Edition Art Science
Bernhard Fetz, Katharina Manojlovic, Susanne Rettenwander (Hg.), "ich denke in langsamen Blitzen. Friederike Mayröcker, Jahrhundertdichterin", Paul Zsolnay
"Der Brief an den Einbrecher" in: "Wiener Hefte 2: alles aufarbeiten! Friederike Mayröcker", Wienbibliothek im Rathaus
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Sendereihe
Gestaltung
Übersicht
Playlist
Komponist/Komponistin: Giovanni Battista Pergolesi 1710 - 1736
Album: FLÖTENMUSIK DES ITALIENISCHEN BAROCK
* Adagio - 2.Satz (00:03:58)
Titel: Konzert für Traversflöte, Streicher und B.c. in G-Dur Cxxi:71
Flötenkonzert
Solist/Solistin: Masahiro Arita
Solist/Solistin: Chiyoko Arita
Solist/Solistin: Tetsuya Nakano
Ausführende: Bach Mozart Ensemble Tokio
Länge: 01:00 min
Label: Denon CO 18013