Ein Gondoliere schaut auf sein Handy

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Diagonal

Diagonal Stadtporträt Venedig

In 40 Jahren um die Welt - Best of Diagonal Stadtporträts 7.
Venedig 2011 - kommentierte Wiederholung

Mit diesen Sätzen präsentierte Moderator Michael Schrott 2011 die Sendung über Venezia. Eine Stadt, die ihm, über Jahrzehnte ans Herz gewachsen war - in gewisser Weise zu "seiner Stadt" geworden war:

"Seit 1984 machen wir Städteporträts. Seit 1984 haben wir erfolgreich allen Vorschlägen und Anregungen widerstanden, ein Porträt von Venedig anzufertigen. Was soll man über Venedig noch sagen, schreiben? Über keine andere Stadt gibt es so viel Literatur, besonders aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die noch die Venedig-Bilder in den Köpfen der heutigen Menschen prägt. 1956 schrieb die amerikanische Autorin Mary McCarthy, dass "was man im Begriff ist (über Venedig) zu sagen oder zu empfinden, nicht nur bereits von Goethe und Musset gesagt worden ist, sondern auch jedem Touristen aus Iowa auf der Zunge liegt." Venedig ist zersungen, zerschrieben, zermalt, zerfilmt und totfotografiert. Alle Venedig-Adjektive sind Klischees und verboten: morbide, malerisch, morsch, eng, pittoresk, geheimnisvoll, faulig, totgeweiht. Die Bilder Venedigs existieren auch in der Vorstellung von Leuten, die dort noch nie waren. (...)

Jetzt beim Gang durch die sogenannten engen Gassen - Zukunftsideen für Venedig: Die Stadt langsam verfallen lassen, jegliche Instandhaltung streng bestrafen, man würde ab und zu mit dem Boot hinfahren, die untergehende, verrottende Stadt anschauen und sagen, das ist eine gute Metapher für die Menschheit - sie versinkt langsam. Oder aber: alles an Disney verkaufen. Disney würde dann das ganze schmutzige Wasser raus- und sauberes, gechlortes reinpumpen, die ewigen Brückenstufen würden durch Rolltreppen ersetzt, und alle paar Meter stünden Dogen mit Luftballonbündeln, um die Touristen zu begrüßen, wie Mickey Mouse. Aus jedem dritten Fenster würde ein Casanova-Darsteller winken, und es gäbe enorm große Gondolieri-Puppen, die zufallsgeneratorgesteuert aus dem Wasser emporsteigen würden. 24 Stunden, jeden Tag. Und allabendlich einen riesigen Maskenball, natürlich direkt auf dem Markusplatz, wennschon, dennschon." (Benjamin von Stuckrad-Barre in der "Welt am Sonntag")

Mit einem Kommentar von Ines Mitterer und Petra Erdmann in die Gegenwart transferiert.

Erstausstrahlung: 28.05.2011

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  • Ines Mitterer
  • Petra Erdmann