Schulklasse, 1953

PICTUREDESK.COM/ÖNB-BILDARCHIV/HARRY WEBER

Radiokolleg

1945 - Ein Blick in die Schulbücher (2)

Im Griff des Opfer-Mythos

Die 1950er-Jahre stehen nach wie vor im Zeichen des Wiederaufbaus - auch im Bildungswesen. Die meisten Schulen sind wiederhergestellt und es gibt eine klare Priorität: Normalität in den Unterricht zurückzubringen und die österreichische Bildungspolitik schrittweise zu entwickeln. Mit dem Staatsvertrag und der damit einhergehenden Unabhängigkeit wird das Bildungswesen aus dem ideologischen Einfluss der Besatzungsmächte befreit. Die Schulbücher werden wieder von österreichischen Historikern verfasst. Ein radikaler Umbruch des Geschichtsunterrichts bleibt jedoch aus. Die Erzählung der jüngsten Vergangenheit des Landes bewegt sich im Rahmen des sogenannten "Opfermythos": Die Schulbücher sprechen von Österreich fast ausschließlich als das erste Opfer Hitler-Deutschlands. Informationen über die aktive Beteiligung vieler Österreicher und Österreicherinnen an den Verbrechen des NS-Regimes werden nur marginal behandelt. In den Schulbüchern wird stattdessen die Rolle des österreichischen Widerstands glorifiziert, Kollaboration und Denunziation bleiben weitgehend ausgeklammert. Diese Darstellung soll die nationale Einheit stärken und das Selbstbild eines "befreiten" Österreichs festigen - eine Erzählung der Geschichte, die in das kollektive Gedächtnis der Nachkriegsgeneration eingeht.

Service

Radiokolleg-Podcast

Edith Blaschitz, "Denn Österreich ist in dir, Jugend!", Schule und Medien als Mittler von Österreich- und Demokratiebewusstsein bei Kindern und Jugendlichen (1945-1955), Amedia
Kurt Bauer, Die dunklen Jahre. Politik und Alltag im nationalsozialistischen Österreich 1938-1945, S. Fischer Verlag.
Rolf Gutte, Freerk Huisken, Alles bewältigt, nichts begriffen! Nationalsozialismus im Unterricht. VSA Verlag.
Ginette Kolinka, Jean-David Morvan, Victor Matet, Adieu Birkenau. Eine Überlebende erzählt. Splitter Verlag.
Robert Krotzer, Langes Schweigen. Der NS-Faschismus in österreichischen Schulbüchern. Diskussions- und Grundlagentexte zur Geschichte von Widerstand und Verfolgung in Österreich, Bd. 3. herausgegeben vom Bundesverband der AntifaschistInnen, WiderstandskämpferInnen und Opfer des Faschismus (KZ-Verband/VdA).
Philipp Mittnik, Georg Lauss, Sabine Hofmann-Reiter, Generation des Vergessens? Deklaratives Wissen von Schüler*innen über Nationalsozialismus, Holocaust und den Zweiten Weltkrieg, Wochenschau-Verlag.
Philipp Mittnik, Holocaust-Darstellung in Schulbüchern. Deutsche, österreichische und englische Lehrwerke im Vergleich, Wochenschau-Verlag.
Ina Markova, Wie Vergangenheit neu erzählt wird. Der Umgang mit der NS-Zeit in österreichischen Schulbüchern. Reihe Geschichtswissenschaft, Band 20, Tectum Verlag.

Erinnern.at
KZ-Gedenkstätte Mauthausen

Sendereihe

Gestaltung

  • Barbara Volfing

Übersicht