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Spielräume
In memoriam Marianne Faithfull
Musik aus allen Richtungen mit Johann Kneihs. Die Ballade von Marianne Faithfull (1946-2025). Nachruf auf eine Künstlerin, nicht Muse.
31. Jänner 2025, 17:30
Das strapazierte Wort "Ikone" trifft zu. Marianne Faithfull verkörperte das Swinging London der 1960er Jahre - und das unheilvolle Ende der Epoche. Nicht nur in ihrem Fall war es der Absturz in lange Heroinabhängigkeit.
1964 war die 17-jährige, mädchen- und "engelhafte" Sängerin entdeckt worden. Mick Jagger und Keith Richards schrieben für sie einen ihrer ersten eigenen Songs: "As Tears Go By" wurde ihr erster Hit, erst danach einer der Rolling Stones. 1965 sah gleich zwei Debüt-LPs: das Pop-Album "Marianne Faithfull" und das Folk-Album "Come My Way", weitere Platten folgten.
Berühmt wurde Faithfull aber als Freundin Mick Jaggers, durch die die Liaison unvermeidlich begleitenden Skandale und als "Muse" der Stones und anderer Bands. Für sie ein ärgerliches Missverständnis - das nach ihrem Tod aber wieder so in Nachrufen stand. Ihre Karriere als Künstlerin blieb dabei auf der Strecke, selbst die Co-Urheberschaft am Song "Sister Morphine" (den sie wieder vor den Stones veröffentlichte) musste sie gerichtlich erstreiten.
1979 begann mit dem Album "Broken English" ein fulminantes Comeback - ausgerechnet, als Punk und New Wave die letzten Reste der Sechziger weggefegt hatten. Marianne Faithfull hatte als eine von wenigen ihre Street credibility behalten, als Opfer eines heuchlerischen Pop-Establishments sogar an Glaubwürdigkeit gewonnen.
Mit dunkler, kratzig-gebrochener Stimme, Spur der Zerstörung, begann eine lange zweite Karriere - sie brachte den weitaus wichtigeren Teil von Marianne Faithfulls Werk. Auf gelegentliche Durchhänger folgten kreative Höhepunkte mit einer illustren Reihe musikalischer Partner: Blur, Beck, Pulp, Jarvis Cocker auf dem Album "Kissin' Time" (2002), PJ Harvey, Nick Cave, Damon Albarn auf "Before the Poison" (2005). Zunehmend schrieb und komponierte sie selbst.
Eine zweite bedeutende Laufbahn war die als Schauspielerin. Marianne Faithfull stand in Stücken von Strindberg oder Somerset Maugham auf ersten Theaterbühnen; für ihre Rolle im Film "Irina Palm" war sie für den Europäischen Filmpreis nominiert. Ihre Mutter Eva von Sacher-Masoch (Großnichte des Autors Leopold von Sacher-Masoch) war in jungen Jahren Ballerina in Max Reinhardts Ensemble und wirkte im Berlin der 1930er Jahre in Stücken von Bertolt Brecht und Kurt Weill mit. Marianne Faithfull trat - 60 Jahre später - in der Dreigroschenoper auf; 1997 führte sie in Wien Kurt Weills "Die Sieben Todsünden" auf, mit dem RSO unter der Leitung von Dennis Russel Davies. (Wie 2012 wieder am Linzer Landestheater.) Sie kam nach eigenem Bekunden gerne ins Land ihrer Vorfahren, Österreich.
Am Donnerstag, 30. Jänner, ist Marianne Faithfull in ihrer Geburtsstadt London gestorben. Die Spielräume widmen der Künstlerin eine knappe halbe Stunde mit einer Auswahl ihrer Aufnahmen aus fast sechs Jahrzehnten.