KLAUS PICHLER
Radio
"Es funkt!" im Haus der Geschichte Österreichs
Mit seiner Sonderschau "Es funkt!" widmet sich das hdgö akustischen Gedächtnisorten der Zeitgeschichte und legt dabei besonderes Augenmerk auf historische Wendepunkte.
31. Jänner 2025, 10:44
ORF
Ö1 Archiv
"Gott schütze Österreich", "Österreich ist frei" oder "Tor, Tor, Tor - i werd' narrisch": Es sind Radiomomente wie diese, die das österreichische Selbstverständnis geprägt haben. Im 101. Jahr des Mediums Radio und zum 80. Jahrestag der Zweiten Republik zeigt das Haus der Geschichte Österreich (hdgö) seine Sonderausstellung auf dem Alma Rosé-Plateau. Die euphorische NS-Propagandareportage des "Reichssenders Berlin" von der Einfahrt Hitlers auf dem Heldenplatz lässt sich so direkt vor dem Ausgang zum sogenannten "Hitler-Balkon" hören, wodurch die Tonaufnahmen mit noch mehr Bedeutung aufgeladen werden. Kontextualisiert wird dieses Tondokument unter anderem durch eine kritisch-distanzierte US-Reportage des gleichen Ereignisses.
Das Medium Radio war einfach ein Jahrhundertereignis, in dem man zum Ersten Mal unmittelbar und in Echtzeit an Erlebnissen teilhaben konnte.
Das sagt Monika Sommer, hdgö-Direktorin, im Gespräch mit Julia Sahlender für das Ö1 Morgenjournal.
Ö1 Morgenjournal
Die Ausstellung „Es funkt! Österreich zwischen Propaganda und Protest“ im Haus der Geschichte läuft bis zum 6. Jänner 2026. Mehr von Julia Sahlender
"Wendepunkte" von der NS-Propaganda bis zum Piratensender
Anhand von sechs "Wendepunkten" kann sich das Publikum an den Hörstationen nicht nur in prägende historische Momentaufnahmen vertiefen, sondern das damalige Geschehen auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten, wie etwa bei der Einfahrt Hitlers auf den Heldenplatz. Da man "die Propaganda nicht bruchlos auf die Besucher wirken lassen will, weil es doch sehr emotional sein kann", gibt es an der Station auch das Satire-Programm "Der Alois mit dem grünen Hut" der BBC zu hören. Auf der Plakatebene hat man sich für eine karikaturistische Collage von John Heartfield entschieden.
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Wie mythenumrankt manche Radiomomente sind, zeigt sich gleich zu Beginn der Ausstellung, in der man sich u.a. Leopold Figls Ausruf "Österreich ist frei!" widmet, den er anlässlich der Unterzeichnung des Staatsvertrags nicht wie kolportiert am Balkon des Belvedere tätigte, sondern im Inneren, sowie später auch am Stephansplatz. Ein weiterer Mythos ist Edi Fingers legendärer Radio-Kommentar beim 3:2 in Cordoba 1978, mit dem seither zahlreiche Fernsehbilder des Spiels unterlegt werden. Tatsächlich fiel der TV-Kommentar von Robert Seeger damals deutlich weniger emotional aus. Das hdgö stellt beide Versionen einander gegenüber.
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Podcasts und Kampagnen
Weitere Fokus-Stationen sind etwa das Jahr 1964 mit dem Rundfunkvolksbegehren, das laut den Kuratoren in weiterer Folge zwar zu einer Diversifikation des TV-Programms führte, im Radio jedoch einen Bedeutungsverlust nach sich zog: Das Fernsehen habe ab dieser Zeit politische Debatten geprägt, heißt es im Objekttext. "Obwohl das Radio mehr Menschen erreichte, verlor es an Bedeutung. Auf eine veränderte Gesellschaft und ihre Erwartungen reagierte es eher verzögert oder halbherzig." Das Jahr 1993 brachte schließlich mit dem Ende des Rundfunkmonopols das Aufkommen von Privatradios. Auch das Thema der Piratensender findet hier Gehör, kann man hier doch in Sendungen von "Radio Notwehr" aus dem Jahr 1989 oder von "Radio Widerstand" (1988) eintauchen.
Dimensionen
Durch 100 Jahre Radiogeschichte führt eine neue Ausstellung im Haus der Geschichte Österreich unter dem Titel „Es funkt!“ Uli Jürgens hat sie besucht und mit dem Kurator gesprochen.
Aktuelle Bezüge
Den Abschluss des Rundgangs bildet schließlich das Jahr 2025, von dem man laut Kurator Stefan Benedik nicht sagen wolle, "dass es ein Wendepunkt wird". Vielmehr wolle man bei dieser Station verdeutlichen, dass sich der Handlungsspielraum heutzutage enorm vergrößert habe, da im Internet mittlerweile "jeder zum Sender" werden könne, sowohl in seriösen Podcasts als auch mit Fake News oder Kampagnen. Unterstrichen wird die neue Vielfalt an der Audio-Station etwa mit Podcast-Beiträgen von oe24.at und derstandard.at zum neuen ORF-Gesetz, der "Tages-Anzeiger"-Podcastfolge "'AUF 1' - ein Sender für Verschwörungserzählungen" oder einer Collage aus mehrsprachigen Sendungstiteln von Radio Orange.
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Mitmachen
Im Zentrum der Ausstellung findet sich die Station "Auf den Punkt gebracht", in der Besucher die Möglichkeit haben, sich zu aktuellen Themen zu äußern und ihren Audio-Kommentar direkt in der Ausstellung zu hinterlassen. Wer sich weiter in die zahlreichen Audio-Beispiele vertiefen möchte, kann bei jeder Station auch ein Heft zur Hand nehmen, das nicht nur Transkriptionen bietet, sondern das Gehörte in einen Kontext stellt. Für eine "Hohe Verweilqualität" (Pötzlberger) sollen die Sitzmöbel an den Hörstationen sorgen. Und wer später noch einmal reinhören will, findet schließlich einen großen Teil der Ausstellung im Internet, um in dieses "akustische Gedächtnis der Zeitgeschichte" einzutauchen.
Text: APA/Red.
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