Verse für den Völkerbund

6. Februar 2025, 06:57

Wikipedia weiß folgende Geschichte zu berichten: Als Mohammad Ali Foroughi, iranischer Repräsentant beim Völkerbund, 1928 in Genf zum Bankett geladen ist, tritt ein albanischer Gesandter an ihn heran, der während der osmanischen Herrschaft in Albanien Persisch gelernt hatte und der genau weiß, dass Foroughi gelehrter Herausgeber der Werke des alt-persischen Dichters Sa'adi ist.

Wären nicht Sa'adis Verse aus dem Gedicht "Bani Adam" für den Völkerbund das beste Motto? So der Vorschlag des albanischen Gesandten, der sich im Laufe der Jahrzehnte zu einer iranischen Legende wandelt: Dass nämlich Sa'adis Verse in der Tat das Hauptquartier der United Nations in New York schmücken. (Die Vereinten Nationen gingen 1945 bekanntlich aus dem Völkerbund hervor).

Als Mohammad Javad Zarif, iranischer Diplomat und späterer Außenminister, während der 1980er Jahre erstmals den UN-Wolkenkratzer an der East Side Manhattans betritt, suchen seine Augen die Verse Sa'adis in jeder Nische, auf jedem Stockwerk - und finden sie nicht. Die Enttäuschung ist groß, doch 2004 macht ein findiger Teppichweber aus Isfahan den Vereinten Nationen einen 5x5 Meter großen Teppich zum Geschenk. Und in den Teppich lässt er Sa'adis Verse aus Bani Adam mit goldenem Garn einweben.

So zieren seither die Verse eines muslimisch-persischen Dichters aus dem 13. Jahrhundert die Wände des Hauptquartiers der United Nations in New York. Wie lauten diese Verse? In wahrlich ungenügender Übersetzung: "Alle Menschen formen einen Körper, sind Glieder einer Einheit. Leidet einer Schmerzen, bleibt keiner davon unberührt. Fühlst Du diesen Schmerz nicht mit, nennst Du Dich zu Unrecht Mensch."

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