
APA/GEORG HOCHMUTH
Punkt eins
Gewaltambulanzen in Österreich
Was sie leisten und wie ein flächendeckender Ausbau gelingen kann.
Gäste: Univ.-Prof.in Dr.in Sarah Heinze, Diagnostik- & Forschungsinstitut für Gerichtliche Medizin, Medizinische Universität Graz & Univ.-Prof. Dr. Alois Birklbauer, Institut für Strafrechtswissenschaften der Universität Linz. Moderation: Marina Wetzlmaier. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at
10. März 2025, 13:00
Fast jede vierte Frau hat ab dem Alter von 15 Jahren mindestens einmal in ihrem Leben sexualisierte Gewalt erlebt, wie eine Erhebung der Statistik Austria zu geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen zeigt. Kommt es zu Gerichtsverfahren, scheitern Verurteilungen oft daran, dass Beweise fehlen. "Die Spurensicherung ist ganz entscheidend", betont Alois Birklbauer, Strafrechtsprofessor an der Johannes Kepler Universität Linz. Allerdings ist der Zeitraum dafür oft kurz. K.O.-Tropfen etwa können nur für wenige Stunden im Blut oder im Urin nachgewiesen werden. Sich als Gewaltopfer selbst rechtzeitig um einen Termin in einem Labor zu bemühen, verlange viel Initiative. Oft ist es zu spät.
Einen wichtigen Beitrag zur Erkennung und Aufklärung von Gewalt können Gewaltambulanzen leisten. In diesen klinisch-forensischen Untersuchungsstellen werden Spuren und Verletzungen so dokumentiert, dass sie vor Gericht als Beweise verwertbar sind. Betroffene werden außerdem durch Opferschutzeinrichtungen weiterführend begleitet, sowie psychologisch und rechtlich beraten. Das Angebot ist für Menschen jeden Alters kostenlos, anonym, ohne e-card und unabhängig von einem Strafverfahren zugänglich.
In Innsbruck, Graz und Wien gibt es bereits Gewaltambulanzen. Ein Gewaltambulanzenförderungsgesetz, das seit 1. September 2024 in Kraft ist, sieht eine Ausweitung auf alle Bundesländer vor. Auch im aktuellen Regierungsprogramm ist von einem flächendeckenden Ausbau die Rede.
In Oberösterreich fordern 29 Einrichtungen und über 5.200 Unterzeichnende mittels Petition die Errichtung einer Gewaltambulanz; der Strafrechtsprofessor Alois Birklbauer hat als einer der Ersten unterschrieben. Im Landtag wurde darüber in der Sitzung vom 6. März debattiert. ÖVP, FPÖ und MFG lehnten mit Stimmenmehrheit einen gemeinsamen Initiativantrag von SPÖ und den Grünen für eine Gewaltambulanz in Oberösterreich ab. Wie kann es weitergehen? Welche Schritte und Rahmenbedingungen braucht es für eine Umsetzung? Welche Möglichkeiten haben betroffene Personen in Regionen, in denen es keine Gewaltambulanz gibt? Was unterscheidet das dortige Angebot von der Betreuung in bestehenden Kliniken?
Aus Erfahrung kann Sarah Heinze berichten, Leiterin des Diagnostik- & Forschungsinstituts für Gerichtliche Medizin an der Medizinischen Universität Graz. Die Med Uni Graz ist in Sachen Gewaltschutz Vorreiter in Österreich. Eine Ambulanz gibt es dort bereits seit 2008. Im Mai 2024 wurde sie nach einem Um- und Ausbau als Pilotprojekt des Bundes neu eröffnet. Das Team ist mobil für die Steiermark, Kärnten und das südliche Burgenland zuständig und kommt bei Bedarf dorthin, wo sich die Betroffenen befinden. Telemedizin ist dabei wesentlich, betont Heinze.
Sarah Heinze und Alois Birklbauer sind Gäste in Punkt eins bei Marina Wetzlmaier und diskutieren mit unseren Hörerinnen und Hörern darüber, warum eine Ausweitung der Gewaltambulanzen sinnvoll ist und was es dafür braucht.
Wie immer sind Sie herzlich eingeladen, sich an der Sendung zu beteiligen. Rufen Sie an unter 0800 22 69 79 (kostenfrei innerhalb von Österreich) oder schreiben Sie ein E-Mail an punkteins(a)orf.at