Zwischenruf
An das schier Unglaubliche glauben
von Gabriele Eder-Cakl, Direktorin des Österreichischen Pastoralinstituts
20. April 2025, 06:55
Vor ein paar Wochen, am 13. März, schrieb Michael Wurmitzer in der Zeitung "Der Standard" zum neuen Buch des schillernden Schriftstellers Christian Kracht folgende Zeilen:
"Vielleicht will (das Buch) ,Air' einfach dieses Märchen erzählen, an dem auch Krachts 15-jährige Tochter Vergnügen hat. Vielleicht versetzt uns Kracht auch bewusst zwecks Kalibrierung an einen Nullpunkt: Der Klimawandel bedroht Zivilisation, autoritäre Regierungen bedrohen Demokratien, Technik ist verwundbar, das schicke Leben wird zu teuer. Da passt es, wenn Paul Zufriedenheit in einer Welt findet, in der Kerzen und Felle von Wert sind, weil sie Licht und Wärme geben, statt den richtigen Look. Wo Beziehungen über Besitz stehen."
Gut - zunächst: Was ist Kalibrierung? Kalibrierung ist ein Begriff der Messtechnik und zeigt die Abweichungen eines Messgerätes an. Es zeigt an, wenn das Messgerät nicht stimmt, nicht im Lot ist. Um die Gesellschaft wieder ins Lot zu bekommen, schlägt der Autor vor, zuerst einmal alles auf Null zu stellen. Man könnte zum Schluss kommen, dass es angesichts der gegenwärtigen Situation besser sei, wie Paul Zufriedenheit in einer Märchenwelt zu leben, wo alles kuschelig und sicher ist. Eine abgeschlossene Welt, die an der Realität nicht aneckt.
Christinnen und Christen auf der ganzen Welt, feiern heute Ostern. Nach einem Nullpunkt - dem Tod des Messias Jesus am Karfreitag, liegt dieser tot im Grab und ist am Ostermorgen nicht mehr dort. Eine Frau im Garten begegnet einem Mann, der ihr plötzlich die Augen öffnet - das ist der verstorbene Jesus und er lebt.
Nützt der Auferstehungsglaube nur ein paar märchengläubigen frommen Menschen, um in dieser Welt abgeschottet von der Realität zu überleben? Hat es einen Sinn, heute an das schier Unmögliche - wie die Christinnen und Christen - an eine Auferstehung der Toten - zu glauben? Aus meiner Sicht hat es definitiv einen Sinn! Ja, es hat einen Sinn! Und der Auferstehungsglaube hat durchaus mit der jetzigen Realität zu tun.
An das schier Unmögliche zu glauben, dass Eingefahrenes aufgebrochen werden kann, dass Totes zum Leben erwachen kann, das erleben wir Jahr für Jahr im Frühling. Ein äußerlich lebloser Samen beginnt plötzlich zu keimen und wächst, bis es blüht. Wir erkennen das Wunder Leben bei der Geburt eines Kindes. Unvorstellbar schön, wie alles im kleinen Menschen angelegt ist und sich entwickeln und reifen kann. An das Unmögliche zu glauben, gibt uns eine Vision, ein Zukunftsbild. Dieses zieht in die Zukunft und gibt im Jetzt Energie und Mut, in der Realität den gangbaren Weg zu suchen, ein Profil zu entwickeln, eine Position für Gerechtigkeit und mehr Liebe einzunehmen.
Im Christentum verdichtet sich zu Ostern die gesamte biblische Botschaft. In der Fastenzeit und am Karfreitag wird das Messgerät wieder neu ausgerichtet - angesichts der eigenen Endlichkeit wird einem bewusst, was wesentlich und was unwesentlich im Leben ist, was die richtige Dosierung so mancher Alltagszutaten ist. In einer Welt, die zurzeit nicht unbedingt kuschelig ist, hat es einen Sinn, den Durchbruch des Lebens und das Miteinandergehen für Frieden und Gerechtigkeit zu befürworten. Frohe Ostern!
Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Claude Debussy
Album: Hans Leygraf: Debussy - Die Préludes
Titel: Nr.5 Bruyères. Calme - Doucement expressif
Gesamttitel: Préludes, Deuxième Livre / Heft 2, L.123 - 12 Stücke für Klavier
Anderer Gesamttitel: Préludes II, L.123
Solist/Solistin: Hans Leygraf /Klavier
Länge: 03:09 min
Label: dB Productions dBCD107