Zwischenruf

Aspekte der Befreiung

von Margit Hauft, langjährige Vorsitzende der katholischen Frauenbewegung

Befreiung - ist dieser Begriff nicht fast so etwas wie das "Wort des Monats"? Kein Wunder, dass die Assoziationen der meisten, die ich darauf angesprochen habe, sehr ähnlich sind, also um das Ende des Zweiten Weltkrieges gehen, um die Befreiung aus den Konzentrationslagern.

In Oberösterreich ist besonders das KZ Mauthausen im Blick, in dem regelmäßig große Gedenkfeiern stattfinden. Bei einer dieser Gelegenheiten durfte ich auch einige Überlegungen einbringen, in denen es besonders um die Frage ging, warum all das passieren konnte. Ich habe, mir ganz wichtig gewordene, Gedanken von Eli Wiesel zum Einstieg gewählt: "Wenn es ein Wort gibt, das ich Ihnen einwurzeln möchte, dann ist es die Gleichgültigkeit, Gleichgültigkeit ist ein Übel. Das Gegenteil von Hoffnung ist nicht Verzweiflung, es ist Gleichgültigkeit. Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit!"

Wie klingt das in unseren Ohren? Hört Gleichgültigkeit sich nicht harmloser an als Hass, wie eine vernachlässigbare Größe? Und doch, war es nicht gerade die Gleichgültigkeit der Menschen gegenüber dem Leben, dem Schicksal des jeweils anderen, die im Verlauf der Geschichte eine Aneinanderreihung von Ungeheuerlichkeiten erst möglich machte? Das Wegschauen, das Nichtwahrhaben-Wollen? Unsere Gesellschaft von Gleichgültigkeit befreien, wäre das nicht ein wichtiger Schritt?

Befreiung "damals", daran erinnerte sich eine alte Dame aus einer Flüchtlingsfamilie, die meinte: "Wir haben zwar alles verloren, aber wir sind uns geblieben und haben nach und nach ein bescheidenes Leben neu aufgebaut. Jedes Gemüsebeet im eigenen Garten war ein Stück Freiheit."

Auch bei unserem 16-jährigen Enkel kam beim Stichwort Befreiung sofort die derzeit laufende Ausstellung in seiner Schule und das Aufnehmen des Befreiungsthemas in verschiedenen Fächern. Im weiteren Gesprächsverlauf meinte er aber, dass Befreiung an sich dauernd passiert, ja passieren muss. Und da genügt es nicht, nur auf Befreiung von außen zu warten, da bin ich gefragt. Befreien bedeutet nämlich auch von etwas loskommen, mit etwas abschließen, was mich eine Zeit begleitet hat, von dem ich überzeugt war. Er nannte neben Alkohol, Nikotin und ähnlichem auch Beziehungen, die ihre gute Zeit gehabt haben, nun aber nicht mehr passen. "Wer sagt, dass das einfach ist, wenn man nur den Entschluss einmal verstandesmäßig gefasst hat, der belügt sich selber, oder er hat es noch nie versucht", meinte er. Seine Quintessenz: "Befreiung hat ihren Preis!"

Dieser Satz erinnert mich an meinen Vater, der nie viel vom Krieg gesprochen hat und auf die Frage, wie er letztlich überleben konnte meinte: "Meine Kameraden und ich sind vom torpedierten Schiff in die Freiheit des eiskalten Atlantik gesprungen und haben Glück gehabt." Von da her hat Befreiung für mich immer etwas mit Zumutung zu tun, aber steckt nicht in diesem Wort auch der Mut drinnen, der Mut, den es braucht, die neue Situation, die vielleicht ersehnt, angestrebt, ja selbst herbeigeführt wurde, anzunehmen, mit all dem, was sie mit sich bringen mag?

Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Olav Anton Thommessen
Album: Michala Petri - Die moderne Blockflöte
Titel: The Blockbird
Solist/Solistin: Michala Petri /Flöte
Länge: 05:25 min
Label: RCA RD 87946

weiteren Inhalt einblenden