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Punkt eins
"Schluss mit Geheimniskrämerei"
Transparenz statt Verschwiegenheit: Das Ende des Amtsgeheimnisses nach 100 Jahren. Gast: Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Christiane Wendehorst, Professorin für Zivilrecht und stellvertretende Institutsvorständin am Institut für Digitalisierung und Recht, Universität Wien. Moderation: Xaver Forthuber. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at
27. August 2025, 13:00
Am kommenden Montag, 1. September, tritt in Österreich eine Verfassungsnovelle in Kraft, die das Aus für das Amtsgeheimnis bedeutet - stattdessen kommt ein begleitendes Informationsfreiheitsgesetz, die grundsätzliche Verpflichtung des Staates zur Transparenz wird festgeschrieben. Direkte Einsicht in Vorgänge der Verwaltung, in vielen Fällen eine Pflicht zur proaktiven Veröffentlichung: eine langjährige Forderung von Jurist:innen und von zivilgesellschaftlichen Gruppen wie dem Forum Informationsfreiheit, dem es um "die Informationsrechte von Bürgerinnen und Bürgern" geht.
Entsprechend jubelte die damalige schwarz-grüne Regierung, als Ende 2024 der Beschluss des neuen Informationsfreiheitsgesetzes mit Zustimmung der SPÖ den Nationalrat passierte, über ein Ende der "Geheimniskrämerei". Verfassungsrechtler:innen hatten da schon seit Jahren kritisiert, dass Österreich als letztes Land der EU dastehe, das eine Amtsverschwiegenheit im Verfassungsrang hat, während europa- und weltweit der Trend zu einer Öffnung der Verwaltung gegenüber den Bürger:innen gehe. Aktivist:innen und Journalist:innen bekommen das immer wieder zu spüren. Zu Auftragsvergaben, Geschäften und Verträgen der öffentlichen Hand, zu den Daten, die etwa den Coronamaßnahmen zugrunde lagen oder zur Vergabe von Staatsbürgerschaften hieß es in den letzten Monaten und Jahren "Auskunft verweigert". Und in manchem Fall stand die Geheimhaltung sogar nachweislich im Dienst versuchter Korruption.
Auch die EU-Kommission sah darin ein Defizit, etwa in ihrem Rechtsstaatlichkeitsbericht von 2023. Und im von internationalen Menschenrechtsorganisationen erhobenen "Global Right to Information Rating" findet sich Österreich lediglich auf Rang 111 von 140 Ländern. Dort kommt allerdings auch die neue Regelung nicht gut weg: Das Informationsfreiheitsgesetz sei mit vielen Ausnahmen wieder relativ schwach ausgefallen, und bei Streitigkeiten über die Auslegung bleibe weiterhin nur eine potenziell langwierige Anfechtung vor Gericht.
Für eine Verwaltung, die auch in der Praxis wirklich transparent agiert, brauche es nicht zuletzt einen "Kulturwandel" im Mindset der Beamtenschaft, sagte die Rechtswissenschafterin Christiane Wendehorst im Frühjahr zu Ö1. Als Expertin vor dem Verfassungsausschuss des Parlamentes hatte sie auch zu bedenken gegeben, dass einzelne Beamtinnen und Beamte zukünftig mit schwierigen Abwägungsentscheidungen konfrontiert sein könnten - und damit nicht alleingelassen werden dürften, denn sonst bleibe es zu verlockend, im Zweifelsfall abschlägig zu entscheiden. In vielen Fällen kann das Begehr nach Information nämlich auch andere Rechtsmaterien berühren - etwa den Datenschutz, das Bankgeheimnis oder Geschäftsgeheimnisse.
Sind wir auf dem Weg zu einem transparenten Staat, und dürfen wir uns davon auch in der Praxis offenere, nachvollziehbare und fairere Verwaltungsentscheidungen erhoffen? Wird sich die gelebte Politik und Verwaltung in den nächsten Monaten spürbar verändern?
Christiane Wendehorst, Professorin für Zivilrecht an der Universität Wien, ist zu Gast bei Xaver Forthuber. Reden Sie mit: Rufen Sie in der Sendung an unter 0800 22 69 79 oder schreiben Sie ein E-Mail an punkteins(at)orf.at
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Gestaltung
- Xaver Forthuber