Radiokolleg
Chronologie der Flucht nach Österreich (1)
Die Ungarnkrise und ihre Folgen
15. September 2025, 09:05
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist Österreich und insbesondere Wien als Landeshauptstadt ein bedeutender Transit- und Zielort für Menschen auf der Flucht oder in Migration. Mit jeder neuen Krise, mit jeder neuen Ankunft verändern sich die Stadt, die Gesellschaft, die Migrationspolitik und damit auch die Willkommenskultur.
Am 23. Oktober 1956, weniger als ein Jahr nach dem Ende der alliierten Besatzung Österreichs, eskaliert die politische Lage im benachbarten Ungarn: Aus studentischen Protesten in Budapest entwickelt sich binnen Stunden ein landesweiter Aufstand gegen das autoritäre Regime der kommunistischen Partei und die sowjetische Militärpräsenz. Der Volksaufstand wird am 4. November 1956 durch sowjetische Streitkräfte gewaltsam niedergeschlagen. Die militärische Intervention führt zu einer massiven Fluchtbewegung: Bis Ende 1957 suchen rund 194.000 Menschen aus Ungarn Zuflucht in Österreich. Die Zweite Republik sieht sich mit einer ersten großen humanitären Herausforderung konfrontiert. Die österreichische Bevölkerung zeigt sich solidarisch. Neben staatlichen Stellen engagieren sich zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Caritas, das Österreichische Rote Kreuz und kirchliche Einrichtungen. Substanzielle Unterstützung kommt auch von der UNHCR, der Flüchtlingshilfe der Vereinten Nationen. Es ist eine Bewährungsprobe, die Österreich mit Bravour meistert. Die Reaktion auf die Ungarnkrise wird vielfach als modellhaft für den Umgang mit späteren Flüchtlingsbewegungen beschrieben und prägt das Selbstbild Österreichs als aufnahmewilliges Land bis in die Gegenwart.
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- Barbara Volfing