APA/HELMUT FOHRINGER
Punkt eins
Einzelfälle oder Systemfehler?
Missbrauch von Kindern in Institutionen. Gäste: Gabriele Rothuber, Geschäftsführerin der Fachstelle Selbstbewusst - Sexuelle Bildung & Prävention von sexuellem Missbrauch; Alex Seppelt, selbstständiger Psychotherapeut, Männerberatung Wien, Institut für Forensische Therapie. Moderation: Marina Wetzlmaier. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at
3. November 2025, 13:00
Sexueller Missbrauch von Minderjährigen hat oft System. "Nichts passiert zufällig oder plötzlich", schreibt Gabriele Rothuber, Geschäftsführerin der Fachstelle Selbstbewusst. Der Verein berät pädagogische Einrichtungen, Fachpersonen und Eltern in den Bereichen sexuelle Bildung, Missbrauchsprävention sowie bei der Erstellung von Kinderschutzkonzepten.
Täter gehen strategisch und geplant vor. Sie suchen bewusst nach Kindern, zu denen sie einfach Kontakt aufnehmen können, bauen Beziehungen zu ihnen auf, loten Grenzen aus und manipulieren ihre Opfer und deren Umfeld. Teil einer Täterstrategie kann die Berufswahl sein. Eine Ausbildung im pädagogischen oder seelsorgerischen Bereich, sowie ehrenamtliches Engagement in Kinder- und Jugendorganisationen verschaffen ihnen Nähe zu jungen Menschen. Den Kolleg:innen gegenüber präsentieren sich potentielle Täter hilfsbereit, engagiert und humorvoll. Niemand sollte so Verdacht hegen.
Jede Organisation, die mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, ist zu deren Schutz verpflichtet: Schulen, Kindergärten, Internate, Kinderheime, religiöse Einrichtungen oder Freiwilligenorganisationen - Orte, an denen Minderjährige Beziehungen zu Vertrauenspersonen aufbauen. Dennoch oder gerade deshalb kann dort das Risiko für Gewalt und Missbrauch erhöht sein. Die Mehrheit der Minderjährigen, die missbraucht werden, erfahren dies in ihrem sozialen Nahraum. Fast immer gibt es Mitwissende, Unterstützende, Zeug:innen und ermöglichende Strukturen. Im schlimmsten Fall werden die Taten verschwiegen, sei es aus Angst Spendengelder zu verlieren, aus Komplizenschaft oder zur Wahrung des guten Rufs. Was hinter den Mauern und verschlossenen Türen geschieht, solle nicht nach außen dringen.
Umso erschreckender und unfassbarer wirkt es auf die Öffentlichkeit, wenn Fälle von institutionellem Missbrauch oft nach Jahren aufgedeckt werden. Wenn stückweise mehr Informationen und geheimgehaltene Dokumente bekannt werden, Opfer und Zeug:innen den Mut finden auszusagen, ein Missbrauchssystem zutage tritt und Menschen sich die Fragen stellen: Wie konnte das geschehen? Warum gerade dort?
Wie reagieren Institutionen? Welche Strukturen müssen verändert werden? Wie können weitere Fälle verhindert werden? Wie können Einrichtungen sich und die Kinder schützen, damit es gar nicht soweit kommt? "So zielgerichtet Täter vorgehen, so strategisch muss auch die Prävention aufgestellt sein", betont Gabriele Rothuber von der Fachstelle Selbstbewusst. Sie betont wie wichtig es ist, sexualpädagogische Themen in Kinderschutzkonzepten mitzudenken. Für die Prävention sei auch die Aufarbeitung notwendig, sind sich weitere Beratungsstellen einig.
Laut Alex Seppelt ist die Täterarbeit wesentlich für den Opferschutz. Der Psychotherapeut beschäftigt sich seit Anfang der 1990er mit den Behandlungsmöglichkeiten von Sexualstraftätern, vor allem bei Missbrauchshandlungen an Kindern und Jugendlichen. Seppelt ist Vorstandsmitglied der Männerberatung Wien und entwickelte mit Kolleg:innen des Instituts für Forensische Therapie (IFT) das Wiener Sozialtherapeutische Programm für Sexualtäter. Taten zu verhindern steht im Zentrum eines weiteren Programms unter dem Titel "Nicht Täter werden".
Alex Seppelt und Gabriele Rothuber sind zu Gast bei Marina Wetzlmaier und sprechen über Risikofaktoren, Prävention, Kinderschutz und Aufarbeitung bei Missbrauch in Institutionen. Rufen Sie an unter 0800 22 69 79 (kostenfrei aus ganz Österreich) oder schreiben Sie ein E-Mail an punkteins(at)orf.at.
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