Zwischenruf
Wenn ein Buch zum Steinbruch wird
von Thomas Hennefeld, evangelisch-reformierter Pfarrer in Wien
23. November 2025, 06:55
Die Bibel ist eines der ältesten Kulturgüter der Welt. Als Theologe nehme ich sie wahr als ein Buch voller Weisheit und Tiefe, aber auch voller Geheimnisse und Widersprüche. Da ist die Versuchung groß, sich das herauszuklauben, was einem passt. Und so wird die Bibel gerne auch als eine Art Steinbruch verwendet, um passende Steine herauszuklopfen. Da gibt es Steine, die anderen in den Weg gelegt werden, Steine, mit denen ich nach anderen werfen kann und sie manchmal auch verletze, während ich selbst im Glashaus sitze. Oder ich kann mit größeren Steinbrocken auch andere erschlagen. Und die, die sich selbst für sündlos halten, sind oft die ersten, die anfangen, Steine zu werfen.
In die Bibel lässt sich fast alles hineininterpretieren und aus ihr herauslesen. Mit der Bibel kann ich mir meine Welt und meine Weltanschauung zurechtzimmern, wie es mir gefällt. Bibeltexte können dazu benutzt werden, nicht nur andere Menschen zu trösten und zu stärken, sondern auch um Wind zu säen und Sturm zu ernten, Hass zu verbreiten und Menschen gegeneinander aufzuhetzen.
In der Bibel finden wir auch den Satan oder Teufel, wie er genannt wird. Eine Figur, die besonders beliebt ist, dort, wo das Schwarz-Weiß-Denken dominiert und ich die Welt in Gute und Böse aufteile. Dann ist es geradezu eine Genugtuung, wenn ich meinen Gegnern oder gar Feinden unterstelle, vom Teufel besessen zu sein.
Der Teufel, der Diabolos, wird in der Bibel als Gegenspieler Gottes bezeichnet. Wörtlich übersetzt ist er der Verwirrer und Spalter und treibt sein Unwesen mitten unter den Menschen. Er wirft auch gerne mit Bibelzitaten um sich. Das tut er in der Versuchungsgeschichte Jesu, wo er meint, den Sohn Gottes mit den eigenen Waffen schlagen zu können.
Bibelzitate werden aus dem Zusammenhang gerissen und missbraucht, um die eigene Ideologie zu untermauern. Ob die MAGA-Bewegung in den USA oder rechte und rechtsextreme europäische Politiker und Politikerinnen, die ein christliches Abendland heraufbeschwören, sie alle missbrauchen die Bibel, um zu hetzen und zu spalten.
Auch ich berufe mich auf die Bibel, und auch mir könnte man vorwerfen, dass ich auch nur wahrnehme, was mir in meinen Kram passt. Mag sein. Vom Beginn der Schöpfung bis zur Erschaffung eines neuen Jerusalem am Ende des letzten Buches der Bibel, der Offenbarung, ist Gott für mich ein universaler Gott, der für alle Menschen da ist. Und er ist einer auf der Seite der Schwachen und Hilflosen, der Armen und Verfolgten.
Das beides zusammen kann schon Orientierung geben in einer Welt, in der viel zu oft das Böse gut und das Gute böse genannt wird. Und an vielen Stellen steht der Weckruf: Wach auf, sei wachsam. Das gilt auch, wenn Menschen die Bibel missbrauchen, um die Welt an den Abgrund zu führen und sich selbst als Messias feiern zu lassen.
Ja, ich verwende auch diesen "Steinbruch Bibel", aber ich möchte die Steine dazu benutzen, um mit ihnen an einem neuen Himmel und an einer neuen Erde mitzubauen, die Gott verheißen hat, einen Himmel und eine Erde für alle Menschen.
Sendereihe
Playlist
Komponist/Komponistin: Aziza Mustafa Zadeh
Album: DANCE OF FIRE
Titel: Father/instr.
Solist/Solistin: Aziza Mustafa Zadeh /Piano m.Begl.
Ausführender/Ausführende: Al di Meola /Gitarre
Ausführender/Ausführende: Bill Evans /Bass
Ausführender/Ausführende: Stanley Clarke /Saxophon
Ausführender/Ausführende: Kai E. Karpeh de Camargo /Bass
Ausführender/Ausführende: Omar Hakim /Drums
Länge: 05:57 min
Label: Columbia COL 4803522
