Vasily Astrov

APA/HELMUT FOHRINGER

Punkt eins

Russisches Vermögen für die Ukraine?

Zwischen "Schlüsselfragen" und "Schicksalsgipfel": Zur Debatte um den Umgang mit dem eingefrorenen Staatsvermögen Russlands. Gäste: Vasily Astrov, Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) & Dr. Ralph Janik, Assistenzprofessor an der Sigmund Freud Privatuniversität, Lehrbeauftragter an der Universität Wien, der Andrassy Universität in Budapest, der Universität der Bundeswehr in München. Moderation: Barbara Zeithammer. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Man werde so lange verhandeln, bis es ein positives Ergebnis gäbe, sagte EU-Ratspräsident Costa vor Beginn des EU-Gipfels, der ab heute, Donnerstag, in Brüssel stattfindet mit Blick auf die zentrale Frage: Wird die EU eingefrorenes russisches Vermögen zur Unterstützung der Ukraine nutzbar machen? Es steht viel auf dem Spiel, die USA haben eigene Pläne und Russland lehnt eine Waffenruhe weiter ab.

Wenige Wochen nach dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 wurde russisches Vermögen in mehreren Staaten weltweit eingefroren, in der EU in etwa im Wert von 210 Milliarden Euro, der Großteil des Geldes liegt bei dem Finanzinstitut Euroclear mit Sitz in Brüssel. Bereits im Frühjahr 2022 forderte der US-Kongress von dem damaligen Präsidenten Joe Biden, eine Beschlagnahmung gesperrter russischer Vermögenswerte zu prüfen, um die Gelder der Ukraine zur Verfügung stellen zu können. Auch die EU begann, mögliche rechtliche Lösungen zur Verwendung der gesperrten Gelder für den Wiederaufbau der Ukraine zu erarbeiten. Zinsen und Gewinne aus dem Vermögen werden bereits genutzt, das ist rechtlich unproblematisch, aber die Gelder reichen bei Weitem nicht.

Gegenwärtig im vierten Kriegswinter und unter US-Präsident Trump, der die Ukrainehilfen drastisch reduziert hat und eigene Interessen verfolgt, droht der Ukraine im kommenden Frühjahr der Bankrott und damit die De-facto-Kapitulation. Berechnungen der EU-Kommission weisen einen Finanzbedarf von 136 Milliarden Euro für 2026 und 2027 aus, doch woher soll das Geld kommen? Diese Lücke werden die EU-Staaten nicht schließen können, haben sie doch Großteils selbst mit Budgetschwierigkeiten zu kämpfen und können kaum höheren Finanzhilfen leisten. Würde das eingefrorene russische Vermögen in der EU genutzt, wäre die Verteidigung der Ukraine für zwei bis drei Jahre finanziell abgesichert - was die Verhandlungsposition der Ukraine stärkt und den Druck auf Russland erhöht. Doch so einfach ist es nicht.

Die EU hat nun zwei Optionen vorgestellt, über die auf dem gegenwärtigen Gipfel diskutiert wird: einen so kreativen wie komplexen "Reparationskredit" und einen gemeinsamen Kredit. Vor einer Woche haben 25 von 27 EU-Mitgliedsstaaten in einem ersten grundlegenden Schritt in Richtung Reparationskredit festgelegt, dass das russische Vermögen nun dauerhaft eingefroren wird. Russland hatte bereits im Vorfeld mit Klagen gedroht und Schadenersatzforderungen in Euro-Milliardenhöhe angekündet. Das Verfahren soll vor einem Moskauer Schiedsgericht laufen. Derartige Investitionsstreitigkeiten von Konzernen und Staaten sind umstritten, sie laufen jenseits der nationalen Justiz ab, doch das Urteil ist verpflichtend. Unter anderem deshalb hat Belgien, wo Euroclear seinen Firmensitz hat, Bedenken gegen einen Zugriff auf das russische Vermögen und fordert Garantien der EU-Mitgliedsstaaten. Doch werden sie bereit sein, diese zu leisten? US-Präsident Donald Trump hat indes eigene Pläne für das in Europa eingefrorene russische Kapital und stellt eigene Ansprüche.

Bei dem gegenwärtigen EU-Gipfel steht bei der Frage nach dem Umgang mit dem eingefrorenen russischen Vermögen viel auf dem Spiel, heißt es: Das Schicksal der Ukraine. Die Handlungsfähigkeit Europas. Das Völkerrecht. Die Finanzstabilität der EU.

In Punkt eins klären der Völkerrechtsprofessor Ralph Janik und der Ökonom Vasily Astrov grundlegende Fragen zum "Einfrieren" von Geldern, erläutern Möglichkeiten, Bedenken und Grenzen ihrer Nutzung und die Unterschiede zwischen Staatsvermögen und Privatkapital, Sperrung und Beschlagnahme.

Welche Optionen gibt es? Was sind die Alternativen? Wenn bereits jetzt von "Vergeltung" und "Rache" Russlands zu lesen ist: Was muss Europa fürchten, welche Folgen bedenken? Wie sehr schmerzt Russland das eingefrorene Vermögen? Wie sind Reparationszahlungen geregelt? Wann müsste das Geld an Russland zurückgezahlt werden? Und welchen Spielraum diskutieren Völkerrechtsexpert:innen?

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Service

Ralph Janik
Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche
Die Sanktionen der EU gegen Russland im Detail

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Gestaltung

  • Barbara Zeithammer