STEPHAN MINX
Contra - Kabarett und Comedy
Matthias Egersdörfer - "langsam"
Der fränkische Kabarettist Matthias Egersdörfer stemmt sich in "langsam" gegen den Zeitdruck und den Druck der Zeiten: ein Entschleunigungsprogramm. (Wiederholung von Samstag, 19.05 Uhr)
11. Jänner 2026, 21:30
"Matthias Egersdörfer ist ein deutscher Kabarettist, Komiker und Schauspieler", beginnt Wikipedia seinen Artikel über den 1969 in Nürnberg geborenen und mit allen namhaften Preisen des Genres ausgezeichneten Künstler. So weit, so richtig. Aber unvollständig. Schließlich ist er darüberhinaus auch Autor, Sänger und Maler. Vorrangig aber natürlich ein hinreißend heimtückischer Humorist. Bereits mit dem zweiten Satz geht ihm die Online-Enzyklopädie auf den Leim: "Seine Soloprogramme präsentiert er in fränkischem Regiolekt und mit unverkennbarem Hang zur Cholerik." Dabei präsentiert er sie viel mehr mit hoher Präzision. Die Cholerik dient ihm nur als wirksamer Wesenszug seiner in jahrelanger Feinarbeit geschliffenen Bühnenfigur: ein Gefühlsmensch mit eingeschränkter Impulskontrolle. Sehr empfindsam, oft wehrlos und daher umso leichter erregbar. Wobei die Komik dieses ganz speziellen Cholerikers auch in dem Kontrast liegt, dass sich sein Unmut ausschließlich stimmlich äußert: Während er lautstark und heftig an Widrigkeiten verzweifelt, steht er wie versteinert da und verzieht keine Miene.
Soviel zu einer der wesentlichen Facetten von Matthias Egersdörfers Paraderolle. Einer anderen hat er nun sein aktuelles Solo gewidmet: der Sehnsucht nach Entschleunigung und Bedachtsamkeit. Das Programm "langsam" (Regie: Claudia Schulz) ist überdies eine Hommage an seinen vor 10 Jahren verstorbenen Freund und Künstlerkollegen Philipp Moll, einem Proponenten und Propheten der Langsamkeit. Es geht aber auch um Albert Einstein, Fjodor Dostojewski und Charles Mingus, der - wie nur wenige wissen - nicht nur Jazzmusiker sondern auch Sexualtherapeut war.
Weiters werden folgende Fragen behandelt: Wo beginnt beim Frühstücksbüffet die Gewinnzone? Wie viel Fremdenfeindlichkeit verträgt eine Zucchinicremesuppe? Hatte Jesus eine Haftpflichtversicherung?
"Auf dem zuverlässig überfüllten Parkplatz der Paradoxien lassen sich zwischen der Autobahn der Entschleunigung und dem Zeitlupen-Service im Gasthaus zum fränkischen Stillstand schöne Beobachtungen machen. Aus der Zeit fallen, just in time. Und allen geht ein Bremslicht auf." (CURT-Magazin)
Am besten beschreiben kann das Programm aber Matthias Egersdörfer selbst: "In der Früh fängt es manchmal an, dass der Himmel ohne Vorwarnung auf dich herunterstürzt. Die Frau hat zu wenig oder zu viel geschlafen. Sie redet drauflos. Unter einer Lawine aus Wörtern wirst du verschüttet. Da hast du noch keinen Schluck Kaffee getrunken. Du bist froh, dass die Erdanziehungskraft funktioniert und warst gerade dabei, deine Finger zu zählen. Schlimm an der Situation ist die hohe Geschwindigkeit, mit der die Wörter gesprochen werden. Schlimm ist das Gerenne der Mitmenschen in den Straßen, das Rasen der Traktoren über die Felder, die Hochgeschwindigkeit, mit der die Nachrichten und Katastrophen blitzen und donnern. Es ist einige Jahre her, dass der Egers einmal in einer Küche gearbeitet hat. Die Küchenchefin hat in kurzer Zeit dreihundert Mal zu ihm gesagt, dass er sich beeilen soll. Der Egers hat es versucht. Aber es ging nicht schneller. Der Egers ist langsam. Er schneidet Zwiebeln langsam, denkt langsam und spricht meistens nicht besonders schnell. In dieser Langsamkeit hat er auch das neue Programm geschrieben. Das hat sehr lange gedauert. Buchstabe um Buchstabe, Wort um Wort. Satz um Satz. Mit einer trägen Wucht stemmt sich der Kabarettist darin gegen die Schnelligkeit der Welt. Der ganze Abend feiert die Langsamkeit und deswegen werden auch die Geschichten nicht in erhöhtem Tempo vorgetragen. Aber Sie brauchen sich als Zuschauer keine Sorgen zu machen, dass Sie wegen der geringen Geschwindigkeit vielleicht müde werden. Weil es gut sein kann, dass der Egers einmal eine Wut bekommt. Er regt sich ja oft einmal auf wegen Allem und Nichts. Und da wachen Sie dann schon wieder auf." (Pressetext)
Service
In Österreich gastiert Matthias Egersdörfer mit seinem aktuellen Soloprogramm "langsam" am 5. Februar in der ARGEkultur in Salzburg und am 15. Oktober im Kammgarn in Hard. Alle weiteren Auftrittstermine finden Sie hier.
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