Gedanken für den Tag

Ausleuchtung der Nachtseiten

Wolfgang Müller-Funk, Literaturwissenschaftler, zum 250. Geburtstag von E.T.A. Hoffmann

Ernst Theodor Amadeus Hoffmann, dessen Geburtstag sich heuer zum 250. Mal jährt, war ein erstaunliches Multitalent: brillanter Jurist und Kammergerichtsrat, engagierter Musikdirektor und Komponist in der Nachfolge Mozarts, gekonnter Zeichner und Prosaschriftsteller von ungeheurer sprachlicher und psychologischer Dimension. Seine literarische Prosa, für ihn eher eine Fingerübung nebenbei, gehört heute nicht nur zum Kanon der deutschsprachigen Literatur, sondern ist zugleich fester Bestandteil der Weltliteratur. Unverkennbar und einzigartig ist sein Werk nicht zuletzt wegen der Ausleuchtung der "Nachtseiten" des Menschen, des Unbewussten und Fantastischen. Viele Beobachtungen und Motive haben Einsichten Freuds vorweggenommen. In Frankreich haben Charles Baudelaires und Jacques Offenbach, der den Autor in seiner Oper "Hoffmanns Erzählungen" selbst in eine Figur verwandelte, wesentlich zu dessen weltweiter Popularität beigetragen, die sich in Verfilmungen und musikalischen Adaptionen widerspiegelt. Zugleich haben sich im Gefolge der idealistischen Ästhetiken Hegels und Goethes aber lange und zäh Vorbehalte gegen den "schrecklichen" Hoffmann gehalten, den man eigentlich nicht so ernst nehmen sollte.

Die Gedanken für den Tag unternehmen einen Streifzug durch sein Werk, bei dem Aufklärung und Romantik raffiniert miteinander verknüpft sind. Immer wieder kommt es zu überraschenden Einbrüchen des Irrationalen und Wunderbaren in den prosaischen Alltag. Es sind zumeist Erzählungen oder kurze Romane, in die Einblicke genommen werden: die mysteriöse Geschichte vom Sandmann, die Staatssatire "Klein Zaches" oder die Märchen vom goldenen Topf und vom Nussknacker, der plötzlich zum Leben erwacht.

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