Radiokolleg
Schmerz lass nach (4)
Stress schmerzt
12. Februar 2026, 09:05
Schmerz ist ein Zustand, der viele Bereiche umfasst. Schmerz ist ein Gefühl, das den Körper durchdringt und in die Seele eindringt. Dementsprechend sollte Schmerz multifaktoriell betrachtet und interdisziplinär angegangen werden. So viel zum sollte. Das Können ist eine andere Frage. Und die hängt von vielen Faktoren ab. Zunächst davon: wie geht der oder die Betroffene selbst mit Schmerz um. Das wiederum ist damit verknüpft, welche Bilder und Verhaltensmuster jemand von seinem Umfeld mitbekommen hat. Und die werden durch gesellschaftliche Vorstellungen geprägt. Und das schlägt sich dann auch im entsprechenden Angebot von Anlaufstellen und Behandlungen nieder. Für wen und zu welchem Preis diese überhaupt zugänglich sind, ist der nächste Punkt.
Menschen mit chronischen Schmerzen werden oft von einer Stelle zur nächsten gereicht, bis sie endlich einen Ort, einen Menschen, oder eine Methode finden, die ihnen hilft. Manche finden diese auch nie - weil sie aus lauter Frust und Verzweiflung zuvor aufgegeben haben.
Stress ist ein großer Faktor bei der Entstehung und Chronifizierung von Schmerzen. Einsamkeit ein zweiter. Beides ist in unserer heutigen Gesellschaft stark vorhanden. Viele Menschen gehen auch zum Arzt, weil sie soziale Zuwendung suchen. Ihr Leid ist dabei nicht erfunden. Es ist real und kann auch zu körperlichen Symptomen führen.
Zugleich verstricken sich Politik und Medien - digital wie analog - in Widersprüche: Auf der einen Seite wird über eine Katastrophe nach der anderen berichtet - während auf der anderen Seite gefordert wird: die Menschen sollten doch bitte ein bisschen optimistischer und glücklicher in die Zukunft blicken. Vor lauter globaler Krisenmüdigkeit geraten die individuellen negativen Gefühle zusehends ins Hintertreffen. Sie werden entweder persönlich verdrängt oder gesellschaftlich nicht erwünscht. Oft steckt dahinter eine kollektive Überforderung. Der Zwang zum Glücklichsein in einem gleichzeitig von Pessimismus triefenden Zeitgeist erhöht erst recht wieder den Stress und damit auch das Risiko für Schmerzen.
Service
Sendereihe
Gestaltung
- Daphne Hruby
