Dimensionen - die Welt der Wissenschaft

Schauspiel als politischer Übungsraum. Augusto Boal und das Theater der Unterdrückten
Gestaltung: Brigitte Voykowitsch

Über Theater gesellschaftspolitische Veränderungen herbeiführen, mit Theater Politik machen: Das war der Ansatz, von dem der Brasilianer Augusto Boal ausging. Die politische Instabilität in Lateinamerika, die Unterdrückung der Menschen durch zahllose Diktatoren und die weit verbreitete Armut veranlassten den ausgebildeten Theaterwissenschafter und Chemiker Augusto Boal, in den 1950er Jahren nach neuen Formen der Reflexion und des Engagements zu suchen. Zunächst entwickelte er das "Theater der Unterdrückten" und das "Forumtheater" und verband Kunst mit der Möglichkeit zu politischem Probehandeln. Das Theater sollte nicht nur fix ausgearbeitete Stücke präsentieren, sondern die Zuschauer/innen sollten selbst in die Handlung eingreifen, diese mitgestalten und so unterschiedliche Varianten durchspielen können. Die Zuschauer/innen sollten von passiven Beobachter/innen der Welt, der Politik und der Gesellschaft zu aktiven Bürger/innen werden.

Augusto Boal wurde selbst während der Militärdiktator der 1970er Jahre verhaftet, gefoltert und schließlich aus Brasilien ausgewiesen. Nach verschiedenen Stationen in Lateinamerika und Europa kehrte er 1986 nach Brasilien zurück, wo er 2009 verstarb. Erstmals liegt nun seine Autobiografie in deutscher Übersetzung vor. Die von Boal entwickelten Methoden des Theaters der Unterdrückten und des Forumtheaters werden inzwischen überall auf der Welt angewandt - in der Theaterpädagogik ebenso wie in der politischen Bildung, in der interkulturellen Kommunikation und in der Gewaltprävention. Das in Graz beheimatete InterACT-Theater nutzt Boals Methoden in der Auseinandersetzung mit Armut und Ausgrenzung. InterACT wurde 2013 mit dem Österreichischen Staatspreis für Erwachsenenbildung ausgezeichnet. InterACT-Gründer Michael Wrentschur, der am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Universität Graz lehrt, versteht das Forumtheater als eine "kreative Weise, zu politischer Beteiligung und Bildung beizutragen und das vorherrschende Verständnis von Demokratie zu erweitern und dadurch auf politische Diskurse und Entscheidungsprozesse Einfluss zu nehmen."

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