Gemeinsam erinnern
Laut ORF-Gesetz dürfen wir Ihnen dieses Service nur zur Verfügung stellen, wenn Sie Ihre Identität durch Angabe von Vorname, Familienname und Wohnadresse bekanntgeben. (ORF-G, § 4f, ABS 2, Z 23). Sie können das entweder direkt im Zuge des Uploads tun, bzw. sich als User/in in der ORF-Community registrieren lassen. Wenn Sie bereits Mitglied der ORF-Community sind, loggen Sie sich bitte ein, wenn Sie Texte, Audios oder Bilder hochladen, bzw. solche bewerten möchten. Beiträge, für die diese Funktion freigeschaltet ist, können pro User/in nur einmal bewertet werden. Mehrfachstimmen sind möglich. Beachten Sie bitte, dass erstmalige log-ins in der ORF-Community nur wochentags bearbeitet, bzw. freigeschaltet werden können. Die Freischaltung kann einige Zeit in Anspruch nehmen.
23.3.1946, Ladung nach dem Verbotsgesetz
Gerald Blaich - 10. April 2025, 15:32

Mein Großvater Johann Linzbauer wurde zur mündlichen Verhandlung vor die Sonderkommission I. Instanz beim Landeschulrat im Zuge der Entnazifizierungsgesetze geladen.
13.8.1945, Dienstenthebung Manhartsbrunn
Gerald Blaich - 10. April 2025, 15:22

Mein Großvater Johann Linzbauer wurde wegen Mitgliedschaft bei der NSDAP seines Postens als Oberlehrer in Manhartsbrunn im Weinviertel enthoben. Nun folgen mehrere Dokumente, welche den amtlichen Verlauf bis zu seiner Rehabilitierung nachvollziehen.
Zuckerlamm und "Deutsches Schwein"
Martha Pöll - 9. April 2025, 21:12
Erste 10 Lebensjahre unter russischer Besatzung in Mödling
Zuckerlamm und "deutsches Schwein"
Erinnerungen habe ich ab meinem dritten Lebensjahr, also ab 1948/49. Ich lebte mit meinen Eltern im Haus meines Großonkels, da das Haus meiner Eltern von russischen Soldaten in Beschlag genommen worden war. Die Miete mußten meine Eltern natürlich trotzdem bezahlen.
Die Russen, die auch in der Villa meines Großonkels die besten Räume belegten, waren für mich Alltag. Sie waren da und wohnten nur durch eine Tür getrennt im Haus. Eine Majorin wohnte in der Mansarde. Mit der durfte ich einkaufen gehen, auch in das USIA-Geschäft, das nur für Russen war. Und zu Ostern hat mir ein russischer Major ein Zuckerlamm geschenkt!
Auch in den Nachbarhäusern waren Russen mit ihren Familien einquartiert. Die Frauen waren alle dick und saßen bei warmem Wetter in violetter und hautfarbener Unterwäsche herum, auch auf den Wiesen im nahen Wald.
Ein kleiner russischer Bub im Nachbarhaus war in orginal russische Uniform gekleidet und wenn meine Mutter und ich vorbeigingen, rief er uns nach: "Du deutsches Schwein!" und warf Steine auf uns.
Aber in einem anderen Nachbarhaus war ein russisches Mädchen namens Olga ca. in meinem Alter und mit dem habe ich gespielt. Sie rief mich immer zum Zaun: "Majda idissuda!" Was hieß: "Magda, komm her!"
Mein Vater arbeitete in einem Installationsbüro für
Gas, Wasser und Elektro. Er war Ingenieur und die Firma mußte viel für die Besatzung arbeiten.
Da hat es immer Probleme mit der Verständigung gegeben, besonders beim Bezahlen. Darum hat mein Vater Russisch gelernt, privat, neben der Arbeit. Vielleicht hat er auch befürchtet, daß es später keinen eigenen Staat mehr geben würde und daß aus der Besatzung ein Dauerzustand wird. Er wurde oft, auch sonntags, von Russen mit dem Auto geholt. Oft waren es skurile Einsätze. "Es rinnt Wasser aus einem Kasten!" Daß der Kleiderkasten eine WC- Türe verdeckte und das Wasser dorther kam, wußte niemand. Denn das WC hat keiner jemals vermißt! Da hatten wir immer zu Hause etwas zu lachen.
Und die russischen Soldaten bezeichneten das WC als "Strickzimmer", da die Spülungen damals noch großteils mit Strick oder Kette zu bedienen waren. Als WC benutzt wurden bevorzugt Gärten oder Badewannen.
Ich erinnere mich an die von den Russen gespendeten Erbsen und Linsen, die wir am Küchentisch säubern mußten, bevor sie einer zweiten Säuberung im Wasser unterzogen wurden.
Meine Eltern hatten nach 1945 zuerst einen Schrebergarten, da wurde Gemüse angebaut. Später dann bauten sie das Gemüse im Garten hinter der Villa des Onkels an. Da waren auch viele Obstbäume und an der Hauswand ein Weinspalier. Wir konnten vieles vom eigenen Garten essen.
Das Einkaufen war sehr zeitaufwendig, man mußte überall Schlange stehen. Aber viele Geschäfte hatten auch am Sonntag vormittag offen z.B. das Milchgeschäft, die Trafik und auch das Zuckerlgeschäft meiner Oma. Anfangs, als es noch gar keine richtigen Waren gab, hat sie selbst Powidl gemacht und verkauft. Später gab es auch Orangen, die vor allem von den Russinnen gekauft wurden.
Und als 1955 dann alle abzogen, fielen die Russinnen meiner Oma unter Tränen um den Hals. Es hat ihnen sehr gut bei uns gefallen, glaube ich
Abschiedslieder unterm Sternenhimmel
Gerlinde, Jg. 1943 - 9. April 2025, 09:57
Früheste Kindheitserinnerung: Das weiß ich erst hinterher, was da los war. Ich war bei meiner Oma bis zum dritten Lebensjahr. Und eines Nachts bringt sie mich zum Fenster, und weil ich noch so klein war, hat sie mich auf einen Schemel gestellt, dass ich rausschauen konnte. Und es war ein wunderschöner, sternenklarer Himmel. Und nach einer Weile habe ich Musik gehört. Lieder wurden gesungen, ich war gebannt. Und dann habe ich gesehen, wie viele, viele Leute im Takt vorbeimarschieren, das hat mir auch gefallen. Meine Oma hat nichts gesagt, aber ich hab gespürt... (...). Und hinterher habe ich erfahren, dass ihr jüngstes Kind vorbeimarschiert ist. Die wurden alle eingezogen, und das war der Abschied. Der Burschi war 19 und ist ein halbes Jahr darauf gestorben. Gefallen im Krieg.
Die Russen waren freundlich, aber haben gefladert
Anna S., Jg. 1944 - 9. April 2025, 09:55
Viele Russen waren auch freundlich. Ich war damals klein und es war üblich, dass Russen Babys auf den Arm genommen haben. So ganz schlimm waren sie auch nicht. Aber irgendwas mitgehen lassen haben sie schon öfters. Zum Beispiel Bettwäsche oder Uhren. Hin und wieder auch Essen. Meine Eltern haben das gesehen, aber du kannst da nicht sagen: „Gib das wieder her!“. Der hat das genommen, war froh und dann ist er wieder marschiert. Die hatten ja auch nicht viel, die Russen.
Die Angst vor den Russen am Schulweg
Anna S., Jg. 1944 - 9. April 2025, 09:45
Gesehen hat man die Soldaten schon. Wenn ich in die Schule gegangen bin, hab ich mich immer sehr gefürchtet. Meine Eltern wollten eigentlich, dass ich in die Hauptschule gehe. Aber da hätte ich nach Groß-Siegharts müssen, entweder zu Fuß oder mit dem Bus. Und das hat mir solche Angst gemacht, weil es immer geheißen hat, die Russen sind nicht gut, die machen mit dir Dinge, die Gott nicht will. Und so hab ich halt die Volksschule weiter gemacht.
Mütterverschickung März 1945
Martha Pöll - 9. April 2025, 09:09
Obwohl die Familie eigentlich aus Mödling, NÖ, stammt, werde ich in Maria Zell geboren und verlebe mein erstes halbes Lebensjahr in Vorarlberg.
Mütterverschickungen im März 1945
Was ich hier beschreibe, weiß ich aus den Erzählungen meiner Mutter.
Meine Mutter war zu Ende des Krieges mit mir schwanger und wurde mit anderen jungen Müttern mit der Bahn in Richtung Westen transportiert. Ob der Transport von der Gemeinde oder von der Partei (NSDAP) ausging, weiß ich nicht. Die Fahrt ging bis St.Pölten, dann war ein Fliegerangriff und die Fŕauen mußten raus aus dem Zug und weg vom Bahnhof. Sie wurden dann mit einem Bus (?) nach Maria Zell gebracht. Dort im Spital bin ich geboren worden.
Nach meiner Geburt ist meine Mutti wieder heim nach Mödling gefahren. Zwei Wochen später ging die Reise wieder in den Westen. Da kam meine Mutter mit mir bis Vorarlberg, bis Dornbirn. Dort mußte sie ins Spital, mit Fieber durch eine Brustentzündung.
Es war ein bißchen schwierig, weil meine Mutter die Krankenschwester nicht verstand, die war aus dem Montafon und der Dialekt ist für jemand aus Niederösterreich nicht leicht zu verstehen.
Meine Mutti ist dann bei Bauern untergekommen und mußte jede Woche zur Mutterberatung. Damit sie für mich Milch bekam. In Vorarlberg war damals französische Besatzung und darunter viele Marokkaner.
Ich war ein schwarzhaariges, braunes Baby, weil mich meine Mutter gerne in die Sonne gestellt hat mit meinem Kinderwagen.
Wenn sie in das Amt gegangen ist, hat sie mich im Wagen draußen gelassen. Als sie wieder herauskam, war ich nicht mehr im Wagen sondern im Arm eines Soldaten. Angeblich hat mir das gut gefallen. Und die Marokkanischen Soldaten glaubten, ich sei ein Marokkaner-Kind, weil ich so braun war.
Ich habe gehört, daß meine Mutter und ich ca. ein halbes Jahr später wieder nach Mödling gekommen sind.1949, mit vier Jahren, mußte ich in den Kindergarten. Dort gab es nämlich Fleisch zu essen, aus Amerika!
Ich ging trotzdem nicht gerne in den Kindergarten und war sehr froh, daß ich Keuchhusten bekam und nicht mehr hin mußte.
Wie Oma dem Russen die Waffe aus der Hand schlug
Anna S., Jg. 1944 - 8. April 2025, 21:33
Und dann sind die Russen gekommen. Sie sind einfach hineingegangen in die Küche. Einer hat eine Pistole in der Hand gehabt. Daneben war meine Großmutter, sie war aus der Tschechei. Sie hat gesehen, dass der Soldat die Waffe auf meinen Vater oder meine Mutter gehalten hat - das weiß ich nicht mehr so genau. Dann ist sie zu ihm gegangen und hat ihm die Pistole runtergeschlagen. Danach ist er wieder verschwunden.
Erinnerungen an Flusspferd Rosi et al
Nicole Jaufer - 8. April 2025, 10:43
Schönbrunn-Eichgraben-Afritz
Tiergarten Schönbrunn nach dem Krieg - Rosi
Meine Mutter Inge ist 1946 oder 1947 für ein paar Monate bei Dr. Brachetka, dem Direktor des Tiergartens Schönbrunn als Pflegekind untergebracht gewesen. Meine Mutter (JG 1939) war Halbweise, die Mutter war 1946 an offener TBC verstorben, der Vater erst Anfang 1946 aus der Gefangenschaft (amerik.) zurückgekehrt und auf Arbeitssuche. Er konnte sich nicht um seine Tochter kümmern. Meine Mutter hat sehr gute Erinnerungen an Dr. Brachetka und seine Frau, sie waren kinderlos. Sie wohnten in Schönbrunn und meine Mutter durfte den Direktor oft auf seinen Rundgängen durch den Tierpark begleiten. Sie erzählt gerne, dass er sie ermutigt hat, doch ihre Hand in das große Maul vom Flusspferd „Rosi“ zu legen, es würde nichts passieren. Und sie hat es gerne gemacht. Sie strahlt immer, wenn sie von den Erinnerungen an diese Zeit spricht, alles war so aufregend im Tierpark. Sie hat auch später „Rosi“ zu ihrem Künstlernamen gemacht, sie war passionierte und talentierte Porzellanmalerin in ihrer Freizeit.
Bombeneinschlag – Waltergasse
Meine Mutter erinnert sich an den Bombeneinschlag in der Waltergasse, bei dem auch das Wiedner Spital großteils zerstört wurde. Sie hat in der Danhausergasse in 1040 gewohnt und die Bomben im Keller mit den Bewohner*innen gehört und gespürt. „Nachher war das Nebenhaus dem Erdboden gleichgemacht und als wir wieder in unsere Wohnung zurück sind, waren unsere wenigen wertvollen Sachen, Teppich, Schmuck, Besteck etc. weg, von Plünderern gestohlen.“
Ab Frühjahr 1945 in Eichgraben, im Garten
Im Frühjahr 1945 machten sich meine Mutter und Großmutter (JG1904) auf den Weg in den Garten nach Eichgraben (wo sie ein kleines Sommerhaus besaßen) , auch teilweise zu Fuß, weil keine Züge gingen und blieben dort bis in den Herbst. Sie hatten einen Hasen, den sie für die Rückkehr des an der Ostfront kämpfenden Großvaters aufheben wollten. Dann kamen die Russen und 4 oder 5 Mongolen haben sich im kleinen Haus meiner Großmutter und Mutter einquartiert. Nachdem meine Großmutter halb Kroatin, halb Tschechin war, konnte sie sich auf Russisch mit den Soldaten verständigen. Meine Mutter sagt, die Mongolen waren sehr kinderlieb und haben tagsüber Essen und alles mögliche gestohlen bei allen anderen und die Dinge dann ins Haus gebracht. Meine Großmutter hat anscheinend die Sachen dann teilweise geheim wieder zurückgebracht, weil sie wusste dass überall große Not war.
Mein Vater JG 1935 „Heil Dönitz“
Eine Geschichte meines Vaters ist mir in Erinnerung. Er war eigentlich aus Wien, aber mit Mutter und Schwester ab Ende 1944 in Afritz im Gasthof Huber untergebracht, um vor dem Kriegstreiben geschützt zu sein. Er ging während der Zeit auch dort zur Schule. Als er in der Schule, ich glaube vom Direktor, erfuhr, dass Hitler sich das Leben genommen hat, und sein Nachfolger Dönitz sei, hat er unschuldig gefragt, ob er jetzt „Heil Dönitz“ sagen müsste. Darauf gab es für den 10-Jährigen eine Watschn ins Gesicht als Antwort und er kannte sich noch weniger aus…..
n.jaufer@drei.at
Satire im besetzten Niederösterreich
Ruth Linko, Jg. 1939 - 7. April 2025, 17:34
Ich habe die Bundeshymne so gelernt: nicht Land der Äcker, Land der Dome - sondern Land der vier alliierten Zonen, Land der unbekannten Fremden, die uns ausziehen bis auf die Hemden. Damals habe ich bei meinen Großeltern in Lilienfeld gewohnt. Und es hat dort höchstwahrscheinlich so eine Art Bezirkszeitung gegeben, die hat DAS BRENNESSERL geheißen, und da dürfte das veröffentlicht worden sein. Es hat schon kritische Stimmen gegeben. Anm.: „Das Brennesserl“ war eine vorwiegend lokal auf den Raum Lilienfeld ausgerichtete Humorzeitschrift des Herausgebers, Redakteurs und Hauptbeiträgers Otto Zagler. Als Ablenkung von den Sorgen des Alltags gedacht, verfolgten die Gedichte, Erzählungen und Glossen 1946 - 1948 v.a. das Ziel zu unterhalten, waren fallweise aber auch durchaus moralisierend und zeitkritisch. Die Hefte waren kaum illustriert, die Schrift in Fraktur gehalten.
Webseite
https://www.onb.ac.at/oe-literaturzeitschriften/Brennesserl/Brennesserl.htm