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Das Kinderlied vom Koreakrieg

Johanna Nelhiebel - 24. März 2025, 20:46

Wie Volksschulkinder die Anwesenheit von russischen Besatzungssoldaten erleben.

Das Kriegsende 1945 habe ich als Dreijährige nicht bewusst erlebt, es sind mir nur einige blitzlichtartige Bilder von unserer Flucht aus der Tschechoslowakei in Erinnerung, wohl aber kann ich von der Volksschulzeit (1948-52)berichten. Wir waren nach Umwegen in Korneuburg, in deren Kaserne die russischen Besatzungssoldaten untergebracht waren, gelandet. Solange wir in der Kellerwohnung Kanalstraße 4 wohnten, kannten wir, meine Schwester und ich, die Russen nur vom Zuhören, wenn Erwachsene über die Gräuel berichteten. Wir wussten nur, dass man sich vor ihnen fürchten muss. Furchterregendes haben wir nicht erlebt, auch später nicht. Dass die Welt nicht in Ordnung war, sahen wir fast täglich an den vorbeifahrenden Güterzügen, die wir beobachteten, wenn wir auf dem Bahndamm spielten. Lachende Männer saßen darin. Aus den geöffneten Toren ließen sie ihre Beine baumeln. Wir winkten ihnen. "Das sind die Heimkehrer", belehrte man uns. Wir hatten geglaubt, das seien die Russen.
Im Winter 48 konnten wir die feuchte Kellerwohnung, in der wir dreimal vom Hochwasser heimgesucht worden waren, verlassen. Wir bezogen eine Mansarde in einem Mehrfamilienhaus, das direkt neben der Kaserne stand. Nun konnten wir die wirklichen Russen kennenlernen. Vom Küchenfenster überblickten wir den Exerzierplatz. Turngeräte waren dort aufgebaut, auf denen die neu Angekommenen trainiert "wurden". Wir erkannten sie sogleich, sie hatten nämlich richtig Angst vorm Bock, dem Kasten, den Holmen, der Reckstange. Sie konnten auch nicht in Reih und Glied marschieren. Nach einigen Wochen machte aber jeder der Truppe die Riesenwelle. Dann aber kamen auch schon wieder neue Rekruten. Wir schauten gerne zu. Meine kleine Schwester war sehr keck, sie schlüpfte manchmal hinüber in den Kasernenhof, kam dann strahlend mit einem kleinen Geschenk nach Hause. Entsetzen bei den Eltern. Uns gefiel , dass jeden Nachmittag eine Kompagnie auf dem "Ring", der den Stadtkern umschloss, im Marschschritt prächtige Lieder sang. Beeindruckt hat uns, dass einer über den Chorgesang drüber eine Oberstimme setzte. Wir folgten der Truppe auf dem Gehsteig. Die Eltern waren dagegen, wir mussten die Laufrichtung ändern.
Die Mädchenschule befand sich gegenüber der Kaserne.
Auf dem Schulweg mussten wir am großen hellblauen Tor mit dem Sowjetstern vorbeigehen. Zwei junge Soldaten mit Gewehr standen dort. Wir fürchteten sie nicht, genauso wenig wie jene, die, so wie wir, in der Schottergrube im Sommer badeten. Im Schuleingang begrüßte uns das überlebensgroße Porträt Stalins. Er war beeindruckender als das Bildnis des Bundespräsidenten mit dem weißen Bart.
Auf einmal jedoch änderte sich diese umgängliche Stimmung. War der "Ring" zunächst die Straße, welche jeder uneingeschränkt benützen konnte, wurden plötzlich Teile gesperrt: Der Abschnitt, wo die Kaserne stand, und ein Teil, in dem einige Villen für höhere Offiziere konfisziert worden waren. Die Besitzer mussten ihr Haus verlassen. Die neuen Bewohner erkannten wir an den großen Tellermützen und den glänzenden schwarzen
Stiefel. Sie paradierten in Begleitung ihrer herausgeputzten Frauen. Holzbarrikaden wurden errichtet, welche die Sicht versperrten. Das muss sich wohl im Zusammenhang mit dem Beginn des Koreakrieges ereignet haben. Wir Kinder sangen damals auf dem Schulsportplatz lauthals das Lied vom Koreakrieg.

KOREA KOREA
DER KRIEG KOMMT IMMER NÄHER
UND WENN DER STALIN SAMBA TANZT
DANN WACKELT GANZ KOREA

Marienbild im Luftschutzkeller

Gertrude Al-Taiee, Jahrgang 1941 - 24. März 2025, 17:31

Gertrude Al-Taiee berichtet am Ö1-Telefon, wie sie 1945 als 4-Jährige wochenlang mit ihrer Mutter, ihrem Bruder und ihrer Großmutter im Luftschutzkeller in der Wipplingerstraße in Wien ausharren musste. Sie erzählt von der Angst der Frauen, als die Russen kamen - und von einer glücklichen Wendung.

Kesselflicker und Scherenschleifer

Dr. Silvia Zenta - 24. März 2025, 17:05

Es waren verwegene Gestalten, die in schöner Regelmäßigkeit durch die Straßen zogen und ihre Dienste anboten. Sie machten Halt und Hausfrauen brachten schadhafte Töpfe zum Flicken und stumpfe Scheren und Messer zum Schleifen.

Beim Reisen mit der Bahn konnte es Überraschungen geben: Auch größere Tiere wurden ohne viele Umstände transportiert. So stieg schon mal eine Bäuerin mit ihrer Ziege in einem Regionalzug zu, was jedoch auch für die damalige Zeit etwas ungewöhnlich war.

Befreier und Vergewaltiger

Judith Beer - 24. März 2025, 14:25

wiederholte Gruppenvergewaltigungen in der Steiermark

Meine Mutter, Jahrgang 1922, ihre Geschwister, Eltern und Verwandte lebten zu Kriegsende östlich von Graz – beim Hauenstein, eine wunderschöne Gegend. Anfang Mai 45 – meine Mutter war 23 Jahre alt und hatte ein Neugeborenes – kamen die „Befreier“ ein ukrainisches Regiment der Roten Armee von Osten. Sie blieben vorübergehend in der Gegend, für einige Wochen, wenige Monate und trieben im Chaos des Kriegsendes ihr Unwesen, verübten Verbrechen, über die bis heute viel zu wenig bekannt ist und kaum geredet wird. (Vielleicht auch um darüber weiter schweigen zu können, was die Wehrmacht in Russland mit den Frauen tat?)

Der Cousin meiner Mutter berichtete: (meine Mutter schwieg, sie sprach nur mehr „funktional“, war in gewisser Weise sprachlos für den Rest ihres Lebens)

Abends klopften die Soldaten an Türen, um Frauen und Mädchen abzuholen. Wurde nicht gleich geöffnet, schossen sie in die Luft, verbreiteten so Angst und Schrecken. Es war ihnen keine zu jung und keine zu alt.

Die Kirche half, Frauen zu versteckten, aber es gab auch Leute, die Verstecke für einen Vorteil verrieten.

Meine Mutter, ihre Cousine und eine Freundin waren Opfer wiederholter Gruppenvergewaltigungen.
Sie blieben schwer traumatisiert zurück, ohne Hilfe und Unterstützung und lebten (und schwiegen oder verschwiegen) diese „Schande“. („Mir ist es nicht passiert, aber von der oder der weiß ich es“)
Eine suchte Hilfe beim Arzt, wurden aber noch verhöhnt:
„Haben sie sich gewehrt?“ Wie denn mit einem auf den Hals gerichteten Messer? „Dann ist es keine Vergewaltigung“.

Nach dem Krieg bekamen sie keine Entschädigungen, keine Behandlungen, kein Gedenken!
Absolut alleine gelassen mit dem grauenhaften Erlebten.

Die nachfolgende Generation arbeitet sich in langen Therapien daran ab, bis endlich wird über das Grauenhafte gesprochen werden kann!
Die Täter sind tot – eine Genugtuung.
Erst seit 2008 wird Vergewaltigung endlich auch als Kriegsverbrechen anerkannt.

Danke für ihre Initiative und die Möglichkeit beizutragen!

Aus dem Tagebuch meines Vaters

Irmgard Maislinger - 24. März 2025, 13:14

In meiner Kindheit und Jugend wurde nicht über den Krieg gesprochen. Nach dem Tod meiner Eltern, wurde das Tagebuch meines Vaters gefunden, das er während der 5 1/2 Jahre im Krieg geführt hat.

Heimatverlust

Roswitha Springschitz - 24. März 2025, 11:03

Das Kind Franz muss, wie so viele andere, nach dem 2. Weltkrieg seine Heimat und das Haus der Familie, dessen diese beraubt wurde, verlassen und kann nur das Allernötigste mitnehmen.

„Franz…“, sagte sie, in einem leisen, sanften Tonfall. „Du weißt ja, dass wir gar nicht viel mitnehmen können. Und dass wir noch nicht einmal wissen, wo wir unterkommen.…“ Franz war vom Tisch aufgesprungen und ins Kinderzimmer gelaufen. Sein Herz pochte heftig und angstvoll. Berti war in seinem neunjährigen Leben stets an seiner Seite gewesen; es gab keine Erinnerung an ein Leben ohne ihn...

Webseite
https://www.story.one/de/story/berti/

Social Media Seite
https://www.facebook.com/roswitha.springschitz

Die Flucht aus Sicht eines sechsjährigen Kindes

Christoph Bathelt - 24. März 2025, 10:51

Dokumente der Flucht (Familienfoto, Reiseerlaubnis, Landkarte)

Das Schicksal der 14 Millionen deutschen Heimatvertrieben blieb viele Jahre wenig beachtet, Trauer- bzw. Traumaarbeit fand so gut wie nicht statt. Erst in jüngerer Zeit, wo die Erlebnisgeneration schon fast verschwunden ist, widmen sich Wissenschaftler dem Schicksal der „Kriegskinder“. Darum habe ich die Flucht meines Vaters als Graphic Novel herausgegeben. Das Trauma der Flucht und die anschließende bedürftige Kindheit hat meinen Vater zwar geprägt, aber niemals verbittert. Seine Erlebnisse bestätigen den Satz Viktor Frankls, wonach es nur zwei Menschenrassen gibt: nämlich die ‚Rasse‘ der anständigen Menschen und die ‚Rasse‘ der unanständigen Menschen. Darum freue ich mich, dass der Neue Welt Verlag und mein Freund, Prof. Birol Kilic, diese Intention verstanden und das Buch publiziert haben, um das Verbindende und damit Versöhnende darin zu dokumentieren.

Webseite
https://neueweltverlag.at/krieg-und-kriegsfolgen-als-graphic-novel/

Kriegsende in Wien

Elisabeth Wappelshammer - 24. März 2025, 10:25

2004 habe ich Erinnerungen meines Vaters (1927-2004) aufgenommen. Das Transkript enthält auch längere Ausschnitte zum Ende des 2. Weltkriegs in Wien. Sie zeigen, wie unübersichtlich diese Zeit war, zumal seine Mutter, meine Großmutter, Jüdin war.

Kurzer Ausschnitt aus dem Transkript:
Am 13. Februar 1945 sind wir (im 10. Bezirk) ausgebombt worden. Von der Straße aus gesehen ist links eine Bombe rein, die Wohnung selbst war nur ganz leicht beschädigt, die Eingangstüre, Möbel, Geschirr und so weiter war alles intakt. Wir mussten raus und haben eine Zeit lang beim Stani-Onkel gewohnt, einige Tage, dann bekamen wir eine Zuweisung als Wohnobjekt – Geschädigte für ein großes Untermietzimmer bei der Frau Brezina, die damals ihren Mann im Felde als vermisst sah, der ist nicht mehr zurückgekommen. Ihre Mutter, ihr Sohn, der Walter, der ein, zwei Jahre jünger war als ich, wir haben uns sehr schnell angefreundet. Eine der Blödheiten meiner Mutter und meiner Schwester war, dass sie überall gesagt haben, dass wir jüdisch waren. Das mit dem Judenstempel war nur, weil meine Schwester in die Schule gegangen ist und, masochistischer weise mit dem Lehrer gesprochen hat. Das hat sie auch gemacht bei meiner Lehrfrau in der Schneiderei und auch bei der Frau Brezina. Wozu weiß ich nicht, deppert. Dass man das trotzdem überlebt hat, sind Zufälle. Dort war plötzlich eine ganz andere Situation hinsichtlich der Luftangriffe, dort sind keine Bomben gefallen. Das war in der Mariahilfer Straße. Während wir in Favoriten bei Fliegeralarm Karawanen von Menschen, Frauen mit Kinderwagen, Leute mit Rucksäcken, in die Stadt hineingehen gesehen haben, da gab es Katakomben. Die boten Schutz gegen die Bombenangriffe. Aber dort sind die Leute gestanden und haben geschaut. Dann hatten wir eine Zeit lang Durchfall, so eine Art Paratyphus, weil in Favoriten die Wasserzufuhr nicht mehr funktioniert hat, weil eine Rohrleitung von den Ziegelteichen gelegt war. Da hat man mit Kübeln Wasser geholt. Das hat ganz sauber ausgeschaut, war aber verseucht. Wir haben uns abgewechselt, aufs Klo zu gehen, was die Frau Brezina irritiert hat. Dann habe ich so eine Mittelfellentzündung gekriegt, beim Bombenangriff bin ich im Bett geblieben, weil ich ziemlich Fieber hatte. In den Keller bin ich nicht gegangen, die Wohnung war im 4. Stock. Die Ostfront näherte sich immer mehr Österreich und Wien. Wie dann Wien so halb eingekreist war um den 10. April herum und die Russen reingeschossen haben mit allen möglichen Kanonen, auch tagsüber, da wurde es den Leuten schon mulmig. Mein Eindruck damals war, lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Da war noch ein Erlebnis in diesen Tagen, dass ich mit meiner Mutter und anderen Frauen beim Eingang gestanden bin Mariahilfer Straße 115, und plötzlich „plack, plack, plack“ sind drei Geschosse eingeschlagen. Da waren ziemlich viele Menschen, zum Teil waren die angestellt bei Palmers, denn erst in den allerletzten Tagen wurde der Einkauf auf Textilien auf Marken freigegeben. Wir sind zurückgewichen in den Eingang, und dann bin ich nach vor, und der Staub, der sich dann senkte, und die Straße war menschenleer, innerhalb von Sekunden, und einige lagen am Boden und stöhnten. Das war gegenüber auf dem Gehsteig. Da bin ich rübergelaufen, wollte mich um einen Mann kümmern, doch der sagte: „Nein, meinen Buben zuerst“. Das war ein zirka 10-, 11jähriger Bub, der ist auch am Boden gelegen, den habe ich mir geschnappt, bin ins nächste Haus rein, der hatte einen Splitter im Hintern, das war nicht so schlimm. Der Mann wurde von einem älteren SA-Mann nachgebracht, da haben wir ihn auf ein paar Sesseln gelegt. Das Bombardement hat nicht aufgehört, da sind da noch mindestens vier Granaten eingeschlagen. Das war von den russischen Bodentruppen. Von einem Dachfenster oder von der Wohnung aus haben der Walter und ich auf den Laaerberg hingesehen, und da hat man Mündungsfeuer gesehen. Wir haben mit der Uhr gestoppt, wie lange es dauert bis man die Explosion hört. Das waren zehn Kilometer oder so.
In diesen Apriltagen bin ich in den Keller gegangen, und der Keller war sehr gut ausgestattet, das war ja ein nobles Haus, wir hatten es besonders gut. Da gab es ein etwas größeres Kellerabteil so als Hauptquartier, mit Tisch und Sesseln. Wir haben Karten gespielt, ich und einige Männer, und haben so die Zeit hinter uns gebracht. Dann gab es in diesem Haus einen Mann im ersten Stock, der war Besitzer eines Automatenbuffetts zwischen Kaiserstraße und Gürtel, der hat gesagt: „Kommt, ich zeige Euch was“. Da sind wir auf seinen Balkon hinausgerobbt und haben dem Krieg zugeschaut. Da war auf der Kaiserstraße ein Straßenbahnzug der Linie 5 abgestellt als Hemmung gegen die Angreifer. In dem Straßenbahnzug waren Russen, und die haben mit Maschinengewehren in Richtung Innere Stadt geschossen. Da ist zurückgeschossen worden, und da habe ich gesehen, wie zwei Rotarmisten einen Verwundeten in das Automatenbuffett geschleppt haben. Ich glaube, Schuster hat er geheißen. Da gab es in der Wohnung der Brezina gegenüber eine verwitwete Offiziersfrau, eine alte Dame, und die war eingesetzt von der Hausgemeinschaft als Luftschutzwartin, und die hat mich zu ihrem Stellvertreter ernannt. Da bin ich in dieser Funktion in der letzten Nacht noch, als die Russen bis zum Ring und Kai vorgestoßen sind, einige Male durch das Haus bis zum Dach. Beim ersten Mal ist ein Mann mit mir gegangen, der hat nach dem ersten Stock umgedreht, das war ihm zu gefährlich. Es war ein Feuerwerk sondergleichen. Da war die Gefahr eines Brandes groß. Frage: Was hätte man da tun können? Löschen und wenn nicht, zeitgerecht abhauen. In der gleichen Nacht ist im großen Eckhaus Webgasse ein Brand ausgebrochen, das hat lichterloh gebrannt, aus allen Fensteröffnungen heller Feuerschein, und unten vermummte Gestalten. Man hat sich ja dementsprechend angezogen. Am Tage vorher noch kommt der Schuster zu mir und sagt: „Wir haben da im Haus einen Herrn, der hat gerade verlauten lassen im Keller, er zieht eine SA-Uniform an und wird aus dem Fenster schießen, um den Tod zu suchen. Und kommen sie bitte her“. Und ich hatte einen Revolver, ich war bereit, den abzuknallen, wenn es sein müsste. Weil das ja gefährlich war, weil die unter Umständen dann mit schweren Geschützen geschossen hätten. Da ist der Herr Schuster tätig geworden, vielleicht hat er in mir den Abenteurer gesehen. Da sind wir rauf in den ersten Stock, sind rein in die Wohnung, die Türen mussten bei Fliegeralarm immer offen bleiben, da fanden wir den Mann, ein hagerer älterer Mann, 65 schätze ich jetzt mal, in Zivilkleidung. Der hat sofort begriffen, was wir wollen, und hat gesagt: „Na ja, ich komme schon“. In dieser Nacht, wo die Russen vorgestoßen sind, haben wir stundenlang ein Rumpeln gehört, das war ein russischer Panzer, der gegen einen Hydranten gefahren ist, der dann leicht umgebrochen ist, und dann stehen geblieben ist, der hat stundenlang geschossen, bis er selbst dann geknackt wurde. Das hat man am nächsten Tag gesehen, die Schussöffnung, die sind alle draufgegangen. Beim Abzug am Tag zuvor, wo das noch deutsch war, da haben die Deutschen in Grüppchen und einzeln, die Soldaten, das waren vorwiegend ältere, sich zurückgezogen Richtung Ring, und die Hausbesorgerin mit einem tschechischen Namen, ist mit einem Krug Wasser und einem Glas gestanden, und hat Wasser angeboten. Da ist einer stehen geblieben, der war so um die 40, mit sehr deutschen Akzent, der hat getrunken und hat gesagt: „Ich werde mein Leben so teuer als möglich verkaufen, ich habe noch zwei Handgranaten“. Dann ist er weiter gegangen. Wie dann die Russen da waren, ist dieselbe Hausbesorgerin gestanden und hat den Russen Wasser angeboten. Eine tüchtige Frau, sehr human.

Webseite
https://text-coaching.net/

Kinderverschickung

Roswitha Springschitz - 24. März 2025, 09:57

Ein Wiener Kind wird, wie viele andere, aufgrund der schlechten Versorgungslage und gesundheitlicher Probleme zu Pflegeltern in die Schweiz geschickt.

Vor dem Einsteigen hat die fremde Tante den Kindern erklärt, dass sie nun eine sehr, sehr weite Reise machen werden; ins Nachbarland. Die Reise soll den ganzen Tag und auch noch die ganze Nacht dauern.

Am Ankunftsort würden sie abgeholt werden, von den Pflegeeltern. Die würden sich schon sehr auf sie freuen und mit ihnen dann nachhause fahren. Bei den Pflegeeltern würden sie das beste Essen bekommen: viele Sachen, die sie lange schon nicht mehr gegessen hätten: saftige Kuchen, mit vielen guten Eiern und Zucker gebacken, frische Bratkartoffel und Apfelmus; dicke Butterbrote und Saft und Kakao. Die Kinder staunten: Es schien ihnen, sie führen tatsächlich ins Schlaraffenland...

Webseite
https://www.story.one/de/story/allein-67d698a61b9f2/

Social Media Seite
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Besuch in Vaters Kriegsgefangenschaft

Helga Pfeifer, Jahrgang 1943 - 24. März 2025, 09:19

Positive Erinnerungen: 1948 waren meine Mutter und ich bei meinem Vater, der in jugoslawischer Kriegsgefangenschaft war, einen Monat zu Besuch.

Mein Vater, Ing. Egmund Wallner, geb. 1918, war bis Februar 1949 in jugoslawischer Kriegsgefangenschaft in der Gegend von Šabac, Mitrovica, Drenovac (genauere Angaben fehlen mir leider). Im Sommer 1948 fuhren meine Mutter und ich, geb. 1943, für ca. einen Monat zu ihm auf Besuch, obwohl Verwandte und Bekannte davor gewarnt hatten, es sei viel zu gefährlich. Mein Vater hatte aber vorher wiederholt in Briefen an meine Mutter und mich (ich war damals 4 3/4 Jahre alt, konnte aber schon lesen) erzählt, wie schön er es dort unten hatte und dass wir gefahrlos kommen könnten.

Wir fuhren also auf abenteuerliche Weise per Zug nach Belgrad. Unterwegs mussten alle Passagiere mitten in der Nacht aussteigen, weil eine Lok auf den Gleisen lag, und ein großes Stück mit dem Gepäck zu Fuß gehen, um in einen anderen Zug einsteigen zu können. Außerdem waren die Züge derart verwanzt, dass meine Oberschenkel durch die Bisse fast doppelt so dick waren wie vorher.

In Belgrad holte uns mein Vater ab, den ich bis dahin noch nie gesehen hatte. Ich erinnere mich nicht mehr, wie wir an den Ort gekommen sind, an dem wir die nächsten Wochen wohnen sollten. Ich weiß jedoch, dass mein Vater in einer winzigen Wohnung auf einem Bauernhof gelebt hat und wir unter uns waren. Er war in der Landvermessung eingesetzt und hatte sogar Jugoslawen (hierarchisch) unter sich.

Wir Drei wurden wiederholt eingeladen, einmal sogar zu einer Hochzeit, an die ich mich noch gut erinnere: das junge Paar - in festlicher Tracht - warf von seiner Kutsche aus viele Münzen unters Volk. Auch besuchten wir wiederholt verschiedene Einheimische in ihren Behausungen, ganz besonders ein altes Ehepaar, das in einem einsamen Häuschen unter Pappeln lebte („Dòbro vèčer, baba Julka!“). Ich lernte einige Worte serbokroatisch, um grüßen und mich bedanken zu können. Immer wurden wir mit einer bescheidenen Jause bewirtet.

Oft saß ich auch mit einem älteren Mädchen, das Schweine hütete, auf einer Wiese und ließ mir durch Zeigen verschiedene Vokabel beibringen (Körperteile, Tiere usw.), was mir großen Spaß machte.

Ich besitze auch ein paar Fotos, auf denen meine Eltern und ich in Badekleidung auf einem alten Motorboot auf der Save abgebildet sind oder wir durch ein Kornfeld gehen. Ich habe natürlich in meinem Gedächtnis nur einige herausragende Eindrücke behalten, die aber durchwegs positiv waren und noch sind.

Helga Pfeifer
geb. 20.08.1943