Gemeinsam erinnern
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Ein Neubeginn
Dr. Silvia Zenta - 27. März 2025, 19:38
Familienzusammenführung
Meine Eltern hatten 1941 geheiratet, meine Mutter lebte während des Krieges in Wien. Nach Kriegsende hatte sie die Gelegenheit, zu meinem Vater nach Knittelfeld zu kommen, wo er nach seiner Heimkehr aus dem Krieg in der englischen Besatzungszone Arbeit gefunden hatte.
Im Oktober 1945 erhielt sie ihren Identitätsausweis, waren doch verschiedene Besatzungszonen zu überschreiten. Sie erinnert sich. " Nach einer Zugfahrt von über 24 Stunden im Güterwaggon, auf Eisenstangen sitzend, erreichten wir Knittelfeld. Mehrmals blieb der Zug stehen, dann wieder wurde der Waggon abgekoppelt und auf einem Nebengeleis abgestellt." Die Kontrolle durch russische Soldaten überstand meine Mutter unbeschadet, eingehüllt in einen unförmigen, pelzgefütterten Herrenmantel und in Begleitung ihres Ehemannes.
(Dieser Mantel -"Stadtpelz" genannt- diente nicht nur meiner Mutter zur Bequemlichkeit, sondern sie transportierte das gute Stück von Wien nach Knittelfeld, wo es seinem Besitzer übergeben wurde.)
Um Mitternacht stiegen meine Eltern aus dem Zug und kamen in der zum Großteil zerbombten Stadt an, in der sie endlich ein gemeisames Leben beginnen konnten.
Mein Großonkel Karl - ein Deserteur
Dietmar Wachter - 27. März 2025, 19:11
Ich bin als Zeitzeuge viel zu jung, habe aber das Leben meines Großonkels Karl GASSER recherchiert und einen Roman (Biografie) verfasst. Er war Deserteur, tauchte während des 2. Weltkrieges unter und hielt sich als Heiratsschwindler, Betrüger und Hochstapler über Wasser. Er schleppte Juden und Nazis gleichfalls. Nach dem Krieg tauchte er unter.
Webseite
https://www.bibliothekderprovinz.at/media/leseprobe/9783991262879_tmp_lsp_web.pdf
Glückliche Heimkehr aus dem Krieg
Dr. Silvia Zenta - 27. März 2025, 18:51
Heimkehr
Im Frühjahr 1945 kehrte mein Vater aus dem Krieg zurück. Teils zu Fuß schlug er sich von Griechenland über den Balkan nach Kärnten durch und wurde von den Engländern interniert. Er bekam das Angebot, sollte er in der englichen Besatzungszone einen Arbeitsplatz erhalten, so käme er aus der englischen Gefangenschaft frei. Bereits vor seiner Einberufung zur Feldeisenbahn hatte mein Vater als Ingenieur bei der Deutschen Reichsbahn in St. Pölten gearbeitet und daher versuchte er die Berufslaufbahn bei den zukünftigen Österr. Bundesbahnen fortzusetzen. So kam mein Vater nach Knittelfeld und half die zerstörte Infrastruktur wieder aufzubauen. Knittelfeld war bei Bombenangriffen im Februar 1945 fast zur Hälfte zerstört worden.
Flüchtling aus Znaim
Gunda - 27. März 2025, 17:57
Augusta ist als Flüchtling aus Znaim im Haus meiner Großeltern in Hollabrunn aufgenommen (20.7.1945 bis 8.4.1946), so wie russische Offiziere. Sie schreibt meiner Mutter nach Wien, wo diese gerade studiert. Rund 200 Briefe 1945 - 1957 sind erhalten.
5.3.1946
Liebste Nora!
Wieder einmal befinde ich mich in einer verzweifelten Lage! Mein Antrag um die „Alliierte Ausreisebewilligung“ wurde wegen meiner Parteizugehörigkeit am 1.3. abgelehnt und mir sagen gelassen, ich sollte mich dem großen Abtransport der Flüchtlinge anschließen und dann in der amerikanischen Zone aussteigen und zu meinem Mann fahren. Auf solch abenteuerliche Fahrt kann ich mich nun aber nicht einlassen, wer sagt mir, dass ich über Linz komme und dann auch die Möglichkeit habe, dort irgendwo auszusteigen? So kannst Du Dir meine Lage vorstellen; wieder war ich so knapp am Ziel und nun scheiterte hier wieder alles aus diesem Grunde. Ich war mehr als vernichtet und habe alles dann in schlaflosen Nächten erwogen, was da noch zu machen wäre und kam dann nach Beratungen mit Deinen lb. Angehörigen, ebenso mit Dr. Jilly zu dem Entschluss, die Sache vorderhand ruhen zu lassen und um einen Aufschub zur Aufenthaltsbewilligung für Hollabrunn anzusuchen, damit ich wenigstens noch Zeit gewinne und nicht mit dem Transport wegmuss. Dieses Gesuch wurde nun heute Vormittag beim Bezirkshauptmann abgegeben – ich schilderte meine Krankheit, verwies darauf, dass ich noch weiter in ärztlicher Behandlung bin und dass mir jede Veränderung schaden würde, kurzum alles, wie mir Dr. Jilly geraten hat – und so schwebe ich weiter in großer Sorge, wie nun die Erledigung ausfällt. Zur Ruhe komme ich nur auf keinen Fall eher, als bis ich eine Verlängerung bewilligt habe. Zuerst wollte ich zum russischen Kommandanten gehen und persönlich um die Ausreisebewilligung bitten, dann versuchte ich noch das zuerst, um wenn es nicht gelingen sollte, noch dieses letzte offen zu haben. Das sind aber nun meine allerletzten Möglichkeiten, dann bin ich am Ende; halte mir bitte ganz fest die Daumen!
Dabei bekam ich heute nach 23 Tagen endlich ein Schreiben meines Mannes, in Urfahr aufgegeben, worin er mir mitteilt, dass er – vermutlich infolge den gespannten politischen Atmosphäre Bahn und Post in unserem Gebiet eingestellt! – seit Nr. 13 v. 26.1., keine Post mehr von mir bekommen hat; wir sind also somit ganz außer Kontakt geraten, ich schreibe nachher schon Nr. 24, gab dazwischen 2 Telegramme auf und er bekommt nichts. Der heutige Brief von ihm ist vom 24.2.; dazwischen fehlen 5 Briefe heraus, die vielleicht von Wichtigkeit wären. Also Nora, mehr als trostlos! So sehe ich die allernächste Zukunft mehr als schwarz, denn wenn nun die Post versagt, werde ich zum Schluss auch wieder mit meinem Mann entzweit. Ich habe solche Angst in mir, eine große Unruhe, wie nun entschieden wird! So bescheiden bin ich nach all dem wieder geworden, dass ich also schon mit dem bloßen Bleiben in Hollabrunn sagen wir bis Mai, zufrieden wäre, obwohl ich so gerne schon bei meinem Mann wäre, aber nur nicht mit dem Transport wegmüssen, davor zittere ich! Über mir schwebt nun aber das Schwert des Damokles, ein fürchterliches Gefühl!
So habe ich Dir wieder mein Herz ausgeschüttet; weißt Du einen Rat? Da Frau Gürlich zu Dir geht, übersende ich trotz allem meine Schuhe und 20 Zigaretten. Vielleicht könnte sie mir selbe – bereits besohlt! – wieder mitbringen. Wär es möglich? Denn wenn ich rasch wegmüsste, wer weiß ob ich Gelegenheit hätte, sie bei Dir abzuholen? Ich weiß, Du wirst das möglichste in dieser Sache tun, wenn es nicht so rasch geht, dann bleiben die Schuhe halt bei Dir. Noch habe ich eine Galgenfrist und vielleicht bekomme ich doch einen Aufschub. Gott gebe es!
Neuigkeiten gibt es außer der einen, dass der Oberleutnant ohne Verabschiedung!! gestern Abend ins neue Quartier auf Nr. 20 übersiedelte, keine. Ich bin diesmal auch so nicht in Stimmung; aber danke ich Dir noch für die Besorgungen, die Du für mich machtest und bitte besorge das noch mit den Schuhen. Sobald ich die Erledigung habe, verständige ich Dich. Bis dahin liebste Nora, recht herzliche Grüße von
Deiner Gustl.
Flucht nach Tirol
Flucht nach Tirol - 27. März 2025, 14:53
Meine Mutter flüchtet mit zwei Freundinnen vor den Sowjets nach Tirol
Flucht aus Wien vor den sowjetischen Truppen nach Tirol
In meiner Kindheit habe ich oft die Geschichte meiner Mutter gehört, wie sie mit zwei Freundinnen kurz vor Kriegsende vor den sowjetischen Truppen aus Wien geflüchtet sind. Mit dem Fahrrad, meine Mutter Hedi mit dem alten Steyr Waffenrad ihres Vaters, die Fuchspelzstola meiner Großmutter um den Hals. Sie und ihre beste Freundin Annemarie waren Jahrgang 1924, Annemarie Schwester Joschi etwas jünger.
Als sie bei Mauthausen vorbeikamen, sahen sie einen Zug Häftlinge in gestreiften Anzügen. Erschrocken fragten sie bei einer Bäuerin nach, wohin diese ausgemergelten Gestalten unterwegs waren.“ Die gehen ins Gas " war die Antwort. Meine Mutter hat mir glaubhaft versichert, dass dies das erste Mal war, dass sie und ihre Freundinnen von den grauenhaften Vorgängen in den KZs erfahren haben. Man wusste wohl, dass es Konzentrationslager gab, aber man dachte, es seien Straflager für Kriminelle . Die Bewohner der Umgebung eines KZ wussten anscheinend die Wahrheit.
Die Mädel kamen nach Kitzbühel, das von Flüchtlingen völlig überlaufen war. Niemand wollte sie aufnehmen, sie mussten in ein Seitental Richtung Kirchberg ausweichen. Auf einem Bergbauerhof hat man sie schließlich aufgenommen, wir haben in meiner Volksschulzeit auch einen Sommerurlaub dort verbracht. Die „Mam“ , die Bäuerin, hat damals noch gelebt. Meine Mutter hat bis zu deren Tod den Kontakt gehalten.
Sie haben für ihren Aufenthalt bezahlt und mussten sich auch ihr Essen selbst organisieren. Meine Mutter war im Arbeitsdienst auf einem Bauernhof in Griffen in Kärnten, also kam sie auf die Idee, von dort Erdäpfel zu holen. Sie fuhr also mit dem Zug, der auf offener Strecke von Flugzeugen beschossen wurde, während die Passagiere in der Umgebung Deckung suchen mussten, nach Kärnten und kam mit einem Sack Erdäpfel zurück. Sie meinte später dazu, dass es eine lebensgefährliche Aktion gewesen sei, und dass ihr heute so etwas nicht mehr einfallen würde.
Nach der Kapitulation hörten sie, dass sich in der Nähe ein Trupp Soldaten auflöse und sie ihre Ausrüstung verschenken würden. Meine Mutter und Joschi gingen hin und bekamen ein halbes Kalb und Decken. Die Soldaten tauschten von den Bauern Zivilkleidung ein um sich nach Hause abzusetzen. Es dürfte sich um Waffen SS gehandelt haben da meine Mutter etwas von Tätowierungen erzählte.
Im Herbst 1945 kamen sie zurück nach Wien .
Marianne Hruschka geb.1959
Zurück in die alte Heimat
Renate Scherr - 27. März 2025, 12:01
Aus den Aufzeichnungen meiner Mutter Renate Scherr, née Wagner, 1927-2021.
Nach der Flucht aus einem kath. Erziehungsheim bei Laupheim und die Rückkehr in die "Heimat".
-- Kriegsende --
Eines Tages wurden wir Österreicher zusammen-getrommelt und ab nach Hause geschickt. Ich hatte den Eindruck, in einem Viehwaggon zu sitzen. Es war so ein komisches, bläulich gleißendes Licht. Ich weiß nicht mehr, wie man das nannte.
Wir Österreicher wurden zusammengetrommelt und mit dem Zug nach Hause geschickt. Wie ich mich darüber freute!
In der Heimat angekommen, gab es keine Begrüßung für mich, nur Enttäuschungen am laufenden Band.
Zu Hause in Knappenberg hat mich meine Stiefmutter erst einmal fragend angeschaut und sagte dann: „Was willst Du hier? Das ist nicht mehr Dein Zuhause! Ich bin von Deinem Vater geschieden. Du kannst eine Nacht hier schlafen, aber morgen musst du verschwinden!“ Ich wusste nicht, wie und was mit mir geschah. Ich ging am nächsten Tag zum Bahnhof nach Hüttenberg und kaufte mir eine Fahrkarte nach Unzmarkt. Koffer und Habseligkeiten hatte ich mit. Vor Unzmarkt löste ich vor Verzweiflung die Sicherheitsstange am Ausstieg und ließ mich fallen.
Ich hatte wohl einen immens guten Schutzengel oder 100, ansonsten wäre alles anders gekommen. Denn ich bin zwischen die Geleise gefallen. Wäre es anders gewesen, wäre der Gegenzug über mich hinweggebraust und von mir wäre wohl nichts geblieben. Doch der Gegenzugsführer hat mich liegen gesehen und alles veranlasst, mich am Leben zu erhalten. Ich kam nach Friesach in Spital, wo mir geholfen wurde und ich gesund gepflegt wurde.
Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus machte ich mich auf die Suche nach meinem Vater. Die Bergarbeiter waren von Knappenberg nach Köflach in der Steiermark überstellt worden - auch Bergbau, aber Kohle - und durften turnusweise alle sechs Wochen nach Hause fahren. Ich suchte ihn im Burschenhaus in Pichling, aber er lebte mit einer Frau in Köflach Ostsiedlung zusammen.
Diese Frau war über mich nicht erfreut. Mein Vater eröffnete mir, dass ich nicht bleiben könne: „Denn wir haben keinen Platz für Dich, denn wir gehen alle beide arbeiten.“ So stand ich wieder vor 6 Uhr früh auf der Straße. Ohne Geld und Bleibe. Vor einem Scherbenhaufen meines Lebens und dachte mir …., aber ich sagte dazu NEIN, das mache ich nie mehr. Ich wollte meine Schutzengel nicht enttäuschen.
Da sprach mich ein junger Bursche auf meinen Gemütszustand an, und ich erzählte ihm, was mir passiert war. Er wohnte nur einige Straßen weiter von meinem Vater. Ich tat dem Jungen leid, und er nahm ich mit zu seinen Eltern, die mir kostenlos Unterkunft gewährten.
Ich war dann immer auf dem Kohlensturz im Karlschacht beim Kohlenklauben zu finden. Privatpersonen war das erlaubt. Ich stand im Oktober knietief im Schlamm, wo ich die Kohlentrümmer herausholte und freute mich, dass ich Geld verdienen konnte.
Doch weit gefehlt! Ich hatte zwei Lastwagen Kohle zusammen, welche der gute Junge verschacherte. Die Kohle in Graz. Um gutes Geld, und ich ging leer aus.
In dieser Zeit kam ein junger Mann auf mich zu und sagte zu mir: „Du bist so fleißig, wir sollten uns zusammentun.“ Er wohnte in der Nähe meines Vaters in der Ostsiedlung. Er hatte ein kleines Zimmerchen bei seinem Vater und seiner Stiefmutter, die nicht erbaut davon war, mich dabei zu haben.
Damals gab es Lebensmittelkarten. Sie kaufte für die ganze Woche die Karten leer. Ich kochte Bohnen ohne Fett und anderes. Und wurde in der ganzen Siedlung ausgerichtet, dass ich nicht kochen könne.
Wir bekamen zwei Söhne, den Kurt und den Gerald. Mein Mann verdiente in der Braunkohlegrube ca. 300 Schilling, aber wir mussten oft Vorschuss nehmen, da es hinten und vorne nicht langte. Ich weiß bis heute nicht mehr, wie und mit was ich die Kinder versorgte.
Sein Vater zog dann aus, eine andere Familie ein, die uns öfter mit Essen versorgte. Die waren sehr lieb zu uns. Wir wohnten vier Personen in einem 3 x 2 m großen Raum, zwei Kinder im Gitterbett und wir zwei in einem Bett, ein kleiner Tisch, ein kleiner Sparherd. Das war unsere Welt. Das Klo im Parterre, und das Wasser musste ich vom Keller holen.
Ich hoffte immer auf bessere Zeiten. Und die kamen. In Gestalt eines etwas jüngeren Mannes, in den ich mich sofort verknallte. Er war Grubenelektriker und sehr tüchtig. Auch musste er heraußen bei Wind und Wetter auf die Masten kraxeln.
Seine Frau Mutter hat ihn immer mit Essen versorgt. So gut, dass er es mir und meinen Kindern gab. Mein damaliger Mann war so vertrauensselig, dass er mir vieles erlaubte. Dieser Junge brachte mir das Schwimmen bei, und ich durfte mit ihm tanzen gehen und so weiter.
Es kam wie es kommen musste, wir ließen uns scheiden. Der Fünfjährige wollte bei seinem Vater bleiben, der Vierjährige bei mir / uns. Und hat es nie bereut, denn er hatte einen sehr guten Stiefvater. Von dem er viel gelernt hat und respektiert wurde und geliebt.
Heute weiß ich, warum ich die Freiheiten hatte, Schwimmen, Tanzen und Ausflüge. Ich zog von der Ostsiedlung weg und von meinem Mann, und meine Nachfolgerin zog in das kleine Quartier ein. Er wurde mit ihr sehr glücklich, bekamen größere Wohnung und zwei liebe Mädels. Leider sind ihre Eltern schon lange unter der Erde.
Ich hatte auch Glück. Ich bekam den besten, gütigsten und einen sehr gescheiten Mann für 59 Jahre.
Doch auch er hatte in seiner Firma viel mit Unannehmlichkeiten und Widerwärtigkeiten zu kämpfen. Da diese Firma einer bestimmten Fraktion angehörte, mein Mann aber nicht und dementsprechend auch zu keiner Versammlung erschien, war er wohl trotz seiner Tüchtigkeit nicht tragbar. Denn wir hatten kein Parteibuch.
Das übertrug sich auch auf mich. Ich bekam Arbeit in der Glasfabrik in Köflach, war in der Verpackung tätig. Der Meister war sehr zufrieden, ich hatte gute Arbeit gemacht. Doch nur ganze zweimal zwei bis drei Stunden. Dann kam der Meister mit großem Bedauern, sagte mir, er müsse mich nach Hause schicken, da ich krank sei.
Die Mühlen mahlten damals sehr, sehr schnell, denn man wusste im Betrieb meines Mannes schon, dass man mich aufgenommen hatte. Da hatte 100% der Werksarzt die Hand im Spiel. Ich ließ mich in Graz untersuchen. Ich war gesund, Gott sei Dank.
-- Gradenberg (1955) --
Sind von Lankowitz übersiedelt nach Gradenberg. Ein Paradies für Kinder zum Spielen. Mein Sohnemann war begeistert, ein Fluderwasser und eine schöne Gegend. Doch leider war ich mancher Frau ein Dorn im Auge, denn ich war meiner Zeit ein wenig voraus. War die einzige junge Frau mit kurzen heißen Höschen und Stiefelchen. Ich war sozusagen fehl am Platz in dieser Ortschaft.
Ich bekam einen Gerichtsbrief wegen unzüchtigen Verhaltens. Begründung: Ich sei am Fenster gesessen und habe den Kindern meine Genitalien gezeigt. Doch der Richter durchschaute diese perverse Anschuldigung und forderte besagte Zeugen auf, zu zeigen, wie ich es gemacht habe. Doch siehe da, die konnte es nicht. Aber man wollte halt mir damit eins auswischen. Und so ging diese Sache für mich glimpflich aus.
Doch das war nicht alles, denn im Haus wohnte ein gewichtiger Mann - in jeder Weise - und guter Freund der besagten „Zeugin“. Als er mich im Stiegenhaus allein antraf, gab er mir einen Stoß, sodass ich zu Boden ging und hat dann nach mir getreten - im Beisein eines Freundes von ihm.
Es kam zur Gerichtsverhandlung und vorher habe ich diesen Freund gebeten, die Wahrheit zu sagen, wie es wirklich war. Er hat es tatsächlich getan. Mein kleiner Sohn musste allerdings dafür büßen, denn immer, wenn was passierte, war es unser Bub, auch wenn er gar nicht daheim war.
Es war zum Aus-der-Haut-fahren! Was hilft es, in einer schönen Gegend zu wohnen, wenn Menschen so grausam sind. Wir zogen aus, nach Pichling bei Köflach zu einem Bauern. Wir brauchten keine Miete zu zahlen, dafür mussten wir am Feld arbeiten, überall helfen. Es war sehr anstrengend. Unsere winzige Wohnung befand sich über dem Saustall. Das Wasser musste ich im Vorraum vom Haupthaus holen.
Dort wartete schon eine Familie mit Kind auf die Wohnung von uns und das Kesseltreiben gegen uns fing an. Ich war im Krankenhaus und hatte eine schwere Operation und konnte nicht arbeiten. Die andere Frau hatte eine drei oder vier Jahre alte Tochter, die wenn sie mich sah, zu schreien begann „Hilfe, Hilfe, die Tote kommt!“, weil ich beinahe gestorben wäre.
Mein Mann hatte ein Moped, in welches Zucker in den Tank geschüttet wurde, aber in der Dunkelheit auch daneben verstreut wurde.
Als mich die "Passerfamilie" in die Enge trieb, ergriff unser Bub ein Katzenteller und warf es wie eine Flugscheibe gegen den Mann und traf ihn am Daumen.
-- Käseräuber --
Ich schaute zufällig beim Fenster hinaus und bemerkte den Vater des Kindes, wie er sich an einem Obstbaum zu schaffen machte. Glaubte, er verrichte eine kleine Notdurft. Doch weit gefehlt. Er legte uns ein Ei. Anzeige war vorprogrammiert.
Gendarm kam, wir hätten den Obstbaum beschädigt. Mein Mann und Sohn kamen am Abend mit Moped heim und wurden mit Rufen belegt, als Käseräuber beschimpft. Wussten beide nicht, wie ihnen geschah. Angeblich um 10 dekagramm Käse. Wieder Gerichtsverhandlung. Wobei der Bauer und der Wohnungspasser ohne zu zögern einen Meineid schworen.
Der kleine Bub musste auch zu Gericht. Er ist heute ((Anmerkung: 2014)) 64 Jahre alt und spricht noch immer von dieser Ungerechtigkeit.
Als die beiden ihre Hände zum Meineid erhoben, fragte mein Sohn „Wo ist der liebe Gott?“. Das konnten wir ihm leider nicht sagen. Es war, als ob er auf uns vergessen hätte.
Manchmal denke ich, was für Zeiten, die ich hatte. Von Liebe keine Spur. Aber dafür Hiebe. Egal, ob es um Schule ging oder sonst was.
Ich hatte trotz der vielen Widrigkeiten doch Glück im Leben gehabt. Drei gesunde Kinder, zwei Buben und ein Mädchen und 60 Jahre einen netten Mann an meiner Seite und auch liebe Enkel und Urenkel. Und vor allen Dingen eine höhere Gewalt ist mir beigestanden in den schlimmsten Zeiten und hat mich alt werden lassen. Bin fast 90 Jahre jung und liebe das Leben.
1945-1958 Zwei-Personen-Story, Stadt-Land.
Georgette Pipal 4749 - 27. März 2025, 11:22

Er: Peter Pipal, Geburtsjahrgang 1947, aufgewachsen bei, mit Großeltern und Eltern in einem Haushalt, Seilerstätte, Wien.
Sie: Georgette Pipal, geb. 1949 Klagenfurt, aufgewachsen in Heimen und Spitäler (Erinnerung, kollektives Topfsitzen) in Wien und NÖ, 1954/56 Adoptivfamilie.
Er: Ein wohlbehütetes, wohlgenährtes, übergewichtiges Kind; die Meinung der abgemagerten Groß-Eltern, man braucht Reserven für alle Fälle.
Sie: 1951 abgenommenes, abgegebenes Besatzungskind (Vater Brite, Mutter Deutsche in Ö.), in Kinder-übernahmestelle der Stadt Wien, Lustkandelgasse gelandet; Eltern und Adoption unbekannt; nach später Recherche via Jugendamt Wien 1997 und Rotes Kreuz 2014 Daten zur eigenen Person erhalten.
Er: Als Kind striktes Verbot, wegen Verletzungsgefahr, Gebäuderuinen zu betreten; im Hof Seilerstätte 8 wurde Federball gespielt, im Winter gerodelt, auch im nahen Stadtpark; on top im Wohnhaus wurden Hühner und Hasen gehalten, das Nebenhaus war eine Ruine, im Wohnblock gab es eine Garage für russische USIA Angehörige und private Nutzer. „Die Russen“ waren freundlich zu den Kindern, also keine Furcht. Der Vater Jg. 1926, mit 19 aus dem Krieg aus Italien zurückgekehrt, war dann bei einem USIA Betrieb als Kraftfahrer beschäftigt, 1955 nach dem Staatsvertrag wurde der Vater arbeitslos, aber bald wieder bei Straßenbaufirma weiter beschäftigt. Die Frauen, Mutter berufstätig Büro, und Großmutter im Haushalt, waren die fleißigen Seelen der Familie.
Sie: Erlebte das ganze Dorf und Umgebung als Abenteuerspielplatz. Die A. Mutter erzählte, sie sei 1946 mit dem 10jährigen Neffen 50 km zu Fuß gegangen, mit Rucksack und Tasche, um Lebensmittel für die Schwester und ihre Kinder einzuholen. Auffällig, dennoch zum gewohnten Alltag gehörend, Männer mit 1 Bein und Krücken und auch welche mit schwarzen Augenbinden; am Land sowie in der Stadt.
Er: Historisch und real sehr nahe am Geschehen; mit Großvater immer wieder bei Wiederaufbauereignissen live dabei, u.a. Heinrichshof/Opernringhof, Marienbrücke/ Donaukanal; im Belvedere am Staatsvertrag-Tag und Radioübertragung; bei Lieferung der neuen Stephansdom-Glocken ebenso viele Menschen unterwegs vorort und positive Stimmung; schulisch ab 1953 sehr gut unterrichtet und informiert, u.a. von Geschichtelehrer Dr. H. Zilk
Sie: „Das große Schweigen“ überall, von allen Seiten, in allen Bereichen, Gemeinde, Schule, Familie,... Verhalten der Menschen war eigenartig, angespannt geheimnisvoll, so empfand sie das, zunehmend interessiert bis neugierig. Antworten gab es keine. In der Schule Fähnchen bastelnd hervorgehoben wurde der 26. Oktober der „Tag der Fahne“, damals noch kein schulfreier Nationalfeiertag.
Mein Mann so wie ich erlebten diese Zeit sehr gemaßregelt sowie geordnet, katholisch sozialisiert; materiell hatten wir wenig, es war dennoch genug.
Ab 2000 aufmerksame Wahrnehmung der historischen Vergangenheit und Gegenwart. Zeitgeschichte ahoi!
„Krieg“ produziert und hinterlässt Geschichten, Schicksale mit Folgen für mehrere Generationen!!
Scho-Ka-Kola
Giorgio, Jahrgang 1943 - 27. März 2025, 00:43
In Bludenz waren französische Besatzungssoldaten, vorwiegend Marokkaner, stationiert. Herr Giorgio aus Bürg bei Bludenz erzählt am Ö1-Telefon von einer schönen Kindheitsüberraschung.
Die Landkarte der Vergänglichkeit
Johann Grabner - 26. März 2025, 20:13
Dieser Text thematisiert die Erinnerungen meiner Mutter an das Ende des 2. Weltkriegs in der Nähe von Bad Zell, damals Zell bei Zellhof.
-- Die Landkarte der Vergänglichkeit (Ausschnitt) --
Großelterndackel heißen immer und ewig Waldl („Woidl“ gesprochen), mögen sie noch so oft von Jägern gemeuchelt werden oder sonst irgendwie verlustig gehen: Ihre Inkarnation hört stets auf denselben Namen – soweit sie bereit ist zu hören.
Einmal gab es eine Zeit, da hat der Waldl nicht Waldl, sondern Hasso geheißen. Und dieser war ausnahmsweise, der Name verrät es bereits, kein Dackel, sondern ein Schäferhund.
Das Hasso-Zeitalter fällt mit der Anwesenheit der Russen zusammen. Also mit jener Zeit, als die Befreier vom Faschismus das Land besetzt hielten.
Meine Mutter, damals noch im Hause ihrer Eltern wohnend, wusste aus dem Hasso-Zeitalter beiläufig das zu berichten:
Eines Tages fuhr ein Lastwagen mit Russen vor ihrem Hofe vor, hielt an, und die mitfahrenden Uniformierten sprangen von der Ladefläche. Meiner Großmutter gegenüber vorgebend, das Haus nach Bildern des schnauzbärtigen Gröfaz (=größter Feldherr aller Zeiten) durchsuchen zu müssen, Befehl ist Befehl; und der Kampf gegen den Gröfaz beginnt beim Kampf gegen sein fotografiertes Konterfei, das nun verboten war, nachdem sein 1000-jähriges Reich nach zwölf Jahren das Zeitliche gesegnet hatte.
Wohl hatten sie nirgends ein derartiges Bildnis entdecken können. Doch zum Kuckuck, zwei Hosen aus dem großväterlichen Kasten trug einer unter dem Arm; waren ihm anscheinend faschistisch vorgekommen: Folglich beabsichtigte er, diese Beinkleider mitzunehmen.
Wem das absolut nicht gefallen wollte, war die Großmutter. Worte gingen hin und her, begleitet von einem gewissen Gezerre um die Hosen.
Waldl, vulgo Hasso, hatte das alles argwöhnisch beobachtet, bis er schließlich - ein Wächter ist eben ein Wächter, Maschinenpistolen behangener Russe hin oder her - den Hosenträger von vorne ansprang.
Dieser, auch nicht von Pappe, zückte seine Waffe und wollte dem Hasso ans Leben. Die Großmutter, sich in die Schusslinie stellend, versprach die Hosen Hosen sein zu lassen – womit sie ihres Bellers Leben gerettet hatte. So nahmen die Hosen ihren Weg in Richtung Sowjetunion.
Womit über die Ära Hasso noch längst nicht alles gesagt ist: Mitte Juni 1945 hatten die Russen in Zell bei Zellhof wie auch andernorts amerikanische Truppen abgelöst, die zwar zu Kriegsende diesen Teil des Landes befreit, sich aber nach der Niederlage der Gröfazler einem Abkommen zufolge über die Donau zurückgezogen hatten.
Am Tage des Einrückens der Russen hatte meine Mutter mit ihren damaligen 17 Jahren nichts Besseres zu tun, als mit dem Fahrrad nach Zell bei Zellhof zu radeln, mit der Absicht, dieses und jenes zu besorgen. Samt Armbanduhr und Jungfräulichkeit hielt sie dem Markte zu. Die Russen, das wusste jeder vom Frischgeborenen bis zum Uropa, raubten alles was nach Uhr ausschaute – Taschenuhren, Armbanduhren, Kuckucksuhren, Sonnenuhren, Kirchturmuhren; ebenso frech entwendeten sie Fahrräder – ob Herren- oder Damenräder war ihnen einerlei. Zu ihrem Beutegut zählte vor allem die Unschuld junger Frauen.
Meine Mutter radelte trotz händeringender, händezusammenschlagender, kopfschüttelnder, Warnungen ausstoßender Nachbarinnen und Nachbarn munter auf Zell zu. Mit dem Zeitmessgerät am Arm, das sich in gewissen russischen Sammlerkreisen einer großen Beliebtheit erfreute.
Radelte an einem kantinedampfenden, Pferde bewieherten, russisch gestikulierenden Soldatenlager vorbei, radelte gemütlich vorbei, um nicht zu sagen langsam: Zu schnelles Fahren hätte sich kaum mit ihrer Neugier vertragen.
Radelte so am Lager der Soldaten vorbei, sagen wir einmal unbehelligt, vielleicht sogar unbeachtet.
Rollte auf ihrem Damenrad in den Ort hinein, kaufte dieses und jenes, um daraufhin fröhlich wieder heimwärts zu treten.
Kaum hatte sie das russtikale Lager in die Gegenrichtung passiert, folgten ihr zwei Soldaten zu Pferd. Hatten sie alsbald eingeholt die beiden, Offiziere hoch zu Ross, erkundigten sie sich nach dem Weg nach Gutau, und „Bitte und danke schön“ trabten sie ihrem Ziele entgegen.
Jeweils an der nächsten Kreuzung auf sie wartend, erkundigten sich die beiden noch zweimal „Bitte und danke schön“ bei meiner Mutter, ob sie nicht vom rechten Weg abgekommen wären.
Meine Mutter kam so zuhause an, wie sie dieses verlassen hatte. Inklusive der gekauften Waren, versteht sich.
In Hassos Zeitalter fällt auch dieses Ereignis – die Russen sind da wieder einmal nicht unbeteiligt:
Einmal wöchentlich, so will es die mütterliche Geschichtsschreibung, tauchte ein Russe am großelterlichen Hof auf: der „Soviel Eier soviel Schilling“- Russe. Er hatte den Auftrag, für seine Vorgesetzten einzukaufen, in diesem Falle, Eier.
Die Russen, diese fleischgewordenen Bösewichte, Inkarnation frechen Gesindels, Prüfstein der Mühlviertler Gutmütigkeit, hatten hierzulande gestohlen, geraubt, vergewaltigt und weiß Gott welche Untaten begangen. Betraten sie jedoch meiner Großeltern Heim, so wandelten sie sich in freundliche, Küss-die-Hand- gnädige -Frau-Kavaliere, in redliche Eier kaufende Händler. Einen Schilling pro Ei.
Der Soviel- Eier-Soviel-Schilling –Russe bekam seine ungeborenen Hühner, bezahlte brav soviel Eier soviel Schilling und eilte heim ins russisch gestikulierende Lager, um seine erstandene Ware in eine wohlschmeckende, krafteinflößende, dotterstarke, fettpreisende, eiweiß-strotzende Speise zu verwandeln.
Erschien dieser Soldat in ihrer Stube, sprach meine Großmutter zu ihrem Herzen: Jubiliere!
Immerhin, es fuhren Schillinge in ihre Geldtasche ein; und die waren zu dieser Zeit rar gesät, sehr rar sogar.
War das ein Sonntag, Halleluja noch einmal!
Aus dem Nachbarland, der Tschechoslowakei wurden zu jener Zeit unzählige Menschen vertrieben, oder sie flohen von dort, um ihrer Vertreibung, zuvorzukommen, nur weil ihre Muttersprache dieselbe war wie jene des gröllenden, Endsieg verkündenden Schnauzbarts.
Zumeist nächtens erschienen sie vor dem großelterlichen Hof, klopften an Fenster oder Tür, um ein Nachtlager und Füllstoff für ihren Magen zu erbitten. Die Gewährung dieser Bitte gehörte zu den Selbstverständlichkeiten des Hauses.
Fragen nach dem Woher und dem Wohin zu stellen wäre nicht in den Sinn gekommen: Da war ein hungriger Magen, ein müder Mensch. Das waren die Tatsachen.
Fragen machten nicht satt, gewährten keine Erholung.
Zu Kriegsende hatten hier genauso durchziehende SS-Männer ein paar Tage Erholung gefunden. Hatten in dieser Zeit einander ihre Tätowierung aus der Achselhöhle geschnitten.
Nun waren Sudetendeutsche die Hilfe Suchenden.
Wanderten diese Vertriebenen tagsüber weiter, so trugen sie Gabel, Rechen oder Sense mit sich, um allenfalls misstrauischen russischen Soldaten nicht verdächtig vorzukommen: Sie sollten für ansässige Bauern gehalten werden, unterwegs zur Feldarbeit.
Im alleinstehenden Bauernhaus meiner Großeltern waren die letzten Kriegsmonate und die Zeit danach mehrere Ausgebombte aus Wien untergebracht gewesen. Hatten sich hier mit aller Selbstverständlichkeit wie den butterüberladenen Broten und dem Sonntagskaffee, den fetttriefenden, kalorienüberbordenden Schnitzeln, den Rosinen durchtränkten Germ-Honig-Dahinschmelze-Guglhupfen meiner Großmutter, Marke Direktimport aus dem Paradies, aufpäppeln können.
Würde eines Tages bekannt werden, dass sich selbst der Liebe Gott diesen Guglhupf in sein Reich über den Schäfchenwolken hat liefern lassen, würde mich das nicht im Geringsten verwundern.
Die Gastschläfer ruhten in der guten, alten von Speckduft gegerbten, tarockspielgeeichten Stube, mit der Pendeluhr als Herzschlag des Lebens.
Eines Nachts hatte wieder eine der Frauen aufgeschrien: „Bauer, Bäuerin, da schauen Leute zum Fenster herein!“
Kurz darauf schon saßen die neugierigen Fremden am Tisch bei Suppe und Brot, eine Gruppe mit der Angst als Reisegepäck.
Nächtliche Besuche waren keine Seltenheit. Manche betraten das Haus jedoch durch die Hintertür, um es durch diese wieder zu verlassen, unbeobachtet, mit vollen Händen.
So hatten eines Nachts ein paar Männer den Braunen mit seiner fliegenden Mähne aus dem Stall geholt, des Großvaters Liebling. Und taten so, als würden sie nicht daran denken ihn wieder herzugeben; vielmehr hatten sie felsenfest vor, mit ihm zu verduften.
Wer bitte schön hätte sie aufhalten können.
Aber da war der So- viel-Eier-So- viel-Schilling-Russe. Dessen entsann sich mein Großvater. Diesen samt seinen Freunden aus dem mit Wodka gesegneten Lager würde er zu dieser nachtschlafenen Zeit herbitten, sollte sich die Diebsbagage nicht sofort eines Besseren besinnen.
Augenblicklich kehrte das Pferd dorthin zurück, wohin es zu dieser lichtscheuen Zeit gehörte: in Großvaters Stall.
Anzumerken ist allerdings: Am nächsten Morgen meldete ein Bauer aus der Nachbarschaft sein Pferd als gestohlen.
Mit riesiger Eierspeis die Russen ins Haus geladen
Stefan Wiedl, Jahrgang 1945 - 26. März 2025, 15:51
Mit 50 zusammengeschnorrten Eiern und Bergen von Brot, mit Wodka und russischen Sprachkenntnissen hat mein Vater die Russen in unserem Haus empfangen, wie sie am 24. April in Deutsch Wagram eingetroffen sind. Meine Mutter war hochschwanger und sie wurde versteckt am Dachboden. An unserem Haus wurde eine rote Fahne angebracht. Wir hatten wir dann einen Offizier untergebracht, der war Deutschprofessor in Leningrad und der hat sich sehr gut mit meinem Vater verstanden. Der Offizier hat seine Frau und seine Tochter nach Österreich eingeladen, mit ihr bin ich dann gemeinsam zum Geigenunterricht gegangen. Meine Mutter hatte dann sogar eine Hausgeburt mit der Unterstützung eines russischen Sanitätsoffiziers.