Literatur, Kabarett

Wortspiele

Von: Qualti | 26. Mai 2020, 09:45

Alligator

Ein Leserbrief an die größte Tageszeitung Österreichs -
Er wurde nie veröffentlicht, vielleicht habe ich auch vergessen ihn abzuschicken.

Neulich habe ich einen Zeitungsartikel von ihnen gelesen. Eigentlich hab i mir nur des schäne Büdl mit dem Krokodil angschaut mit der Überschrift: „Hitlers Haustier in Moskau verstorben“. Ich möchte Ihnen schreiben, da ich aus sicherer Quelle weiß - und Ihnen eventuelle Quengeleien mit einem der vielen Besserwisser die es heutzutage gibt, ersparen möchte. Mein Vater war damals dabei als Hitlerjunge. Er hat mir erzählt, dass Hitler gar nie in Moskau war. Der Grenzverlauf zu Russland war nicht Moskau sondern Meidling. Daher – bevor ein Besserwisser daherkommt und ihnen – ich muss bei der Gelegenheit sagen, dass ich ihre Zeitung sehr schätze – wollte ich fragen, ob es nicht sein kann, dass der Alligator aus Schönbrunn gemeint ist. Ich habe auch von einer Adelsfamilie gehört, die ein Krokodil als Wappentier führt. Vielleicht haben die es auch entführt gehabt. Heute hört man ja so viel von Leuten, die Reptilien in ihrer Wohnung halten. Andererseits ist es gar nicht so abwegig, dass der Herr Hitler einen Alligator als Haustier gehabt hat. Der hat ja sogar mit einer List, die Mephisto und seine Faust rot werden hätte lassen, Gott abgeschafft. Gott ist bis heute keine Selbstverständlichkeit mehr, jetzt wo man Kirchensteuer zahlen muss. Eines habe ich aber gelernt und das muss ich mit ihnen und den anderen Lesern teilen, weil sie ja kein Gratisblatt sind: Nix ist gratis im Leben, ned a moi a gschenkte Ideologie. Auch wenn die letzte uns die Autobahn gebracht hat, auf der jetzt Corona dahergeflogen kommt. Am Ende müssen wir unser Zeche selber zahlen, egal wieviel gratis Bier die anfangs ausschenken. Aber der erste Farbfilm von der Ufa; der mit dem Hans Albers – i glaub 42 ist der dreht wurdn. Des war scho a schöne Sache mit der Geschichte um den deutschen Baron, der so viele Sachen erlebt hat. Mir hat des mit der Kanonenkugel gefallen. Man bekommt heute noch fast den Eindruck, dass Filme mehr schillern als das echte Leben. Aber a bissl braunlastig war das alles halt damals schon. Des mit dem Film hat natürlich nichts mehr mit ihrem Artikel über den Alligator zu tun. Außer die Filmgesellschaft in Hollywood oder Österreich entscheidet sich, die Geschichte zu verfilmen. Aber des würde sich - glaube ich - nicht gut verkaufen. Es gibt schließlich kein Happy End mit dem Alligator und eine Liebesgeschichte mit einem Krokodil würde eher zu Universum passen. Außerdem wer weiß, was der alles zum Fressen kriegt hat in seinem Gulag und davor. Bei manchen Sachen soll ma ned so genau hinschaun. Aber des ist meine persönliche Meinung. Des brauchens ned drucken. Ich bin eher der Radiohörer. Beim Radio, da war man wer, wenn man eine deutliche Stimme gehabt hat und in einfachen Sätzen gesprochen hat. Aber beim Fernsehen; Die Spitzendarsteller oder Stars, wie man heute auf Neudeutsch so schön sagt, die müssen auch fesch sein. Und sie sollen lächeln können. So wie der Kennedy. War der nicht auch ein Spitzendarsteller im Fernsehen bevor er ins weiße Haus eingliefert worden ist? Da kann man sich dann jedenfalls keinen Alligator als Haustier leisten, der die Kameraleute auf Distanz hält. Da hält man sich lieber einen Bagel. Die kann man auch für die Fuchsjagd einsetzen wie die alte Dame in Backinham mit der Corona auf dem Kopf. Aber das sollte man dann auch nur ausgewähltem Publikum zeigen. Die Leute sind heutzutage so sensibilisiert beim Thema Jagd nach Bageln. Die schauen sich im Fernsehen die wildesten und fantastischten Horrorfilme an, aber wenn dann gezeigt wird, wie unsere rumänischen Freunde die Wurst bei uns im Schlachthof machen, wird von Quälerei gesprochen. Ich stelle mir nur gerade vor, wenn wir Österreicher unsere Wurst wieder selber machen müßten, wo wir doch gar nicht mal wissen, wie man einen Darm füllt ausser unseren eigenen. Bei dem Gedanken, dass da mitunter auch der eine oder andere Finger in unserer Wurst landen würde, denkt man ja wirklich darüber nach Vegetarier zu werden. So was zeigt ma ned amal im Fernsehen.

Im Fernsehen, da muss man an Schmäh mit den Leuten führen können. Oder einfach gut lächeln können und eine tolle Landschaft rundherum aufbauen. Dann glaubt selbst a Studierter dem Quaksalber. Da kann man heutzutage mit dem Radio ned mehr so mithalten. Im Radio braucht man keine Statistikleser, die einem einflüstern was die Leute hören wollen. Statistikleser – sie wissen schon – die die im Fernsehen immer nur für a paar Sekunden zum sehen sind und meistens ned a moi a Drehbuchzeile aufsagen müssen. Die sitzen meistens da und tun Zeitung lesen. In österreichischen Filmen natürlich Ihre Zeitung. Wo ich noch einmal auf etwas hinweisen muss. Seit der Dichand nimma selber schreibt, hat sich schon etwas verändert in ihrem Blatt. Manche Kritiker am Stammtisch – ich bitte schön gehöre natürlich nicht dazu – sagt, dass - seit die starke Hand weg is, alles zerfällt in Ubahnzeitungen und Heutemitteilungen.

Was der Dichand wohl für a Haustier gehabt hat? Jedenfalls bin ich froh, dass sich ihre Überschriften nun auch langsam in anderen Lebensfeldern durchsetzen. Selbst in Amerika haben die letzten Präsidenten ihre Art auf kurze und prägnante Weise etwas auszudrücken für sich entdeckt. Diese einfachen Sätze, wie „yes we can“ oder „Make us great again“. Des is schön. Des versteht man. Auch wenn die Amerikaner in dem kurzen Satz: „make us great again“ einen Fehler eingebaut haben und das us – was ja „uns“ bedeutet - in zwei Großbuchstaben gesetzt haben. US. Des schaut ned so schön aus. Im Radio fällt des natürlich ned so stark auf. Aber eines versteh i bei den kurzen prägnanten Sätzen nicht. Was sollen wir denn bitte schön alles können? Laut Pisatest ja eh ned so viel. Und wenn wir wieder groß sind, müssen wir dann ungarisch und tschechisch wirklich wieder als Amtssprache einführen? Des hat uns ja auch damals schon Probleme gemacht. Hat nicht der Landeshauptmann von Kärnten da letztens ein Machtwort gesprochen? Ich grüße jedenfalls auch in Zukunft alle in der selben Sprache mit „Servas“. Auch mei Hunderl kläfft brav zrück wenn i erm griaß. Mei Nachbar hat sich übrigens ein digitales Haustier zugelegt, des mehrere Sprachen spricht und übersetzt. Man sagt dem Kanarienvogl über die Tastatur was eini und der twittert es dann in spanisch oder sonst einer Sprache raus. Der Vorteil von solchen digitalen Haustieren ist natürlich, dass man bei Corona ka Angst haben braucht, dass ma ka Futter mehr führ ihn hat, oder Klopapier. Mei Nachbar kann ihn ein- und ausschalten wie er will. Diese DEL Taste muss a Gwicht haben. Aber der Vogel tschwitschert immer noch.

Ich bin ja eher eine altmodische Person, als dass i so einem Kanarienvogel meine Meinung sag, der sie dann in die Welt hinaus gookelt. Deshalb bin i a so froh, dass es der Post jetzt gesundheitlich auch wieder so gut geht. Die Uniformierten werden sogar vom Militär unterstützt. Da sind meine Briefe an Sie – ich schreibe Ihnen ja wie sie wissen regelmäßig – in sichererern Händen als in meinen. Sie haben ja mehrmals gesagt, dass ich nicht mehr nach Heiligenstadt zu ihrer Adresse kommen soll. Des hat mich schon a bissl geschmerzt. Vor allem jetzt, wo die am Küniglberg das selbe zu mir gesagt haben. Ich habe kurz überlegt zur freien Presse zu wechseln oder zu einer einfachen Standardzeitung und denen zu schreiben. Aber als treuer Stammleser bleibe ich natürlich ihnen treu. Also bis morgen – ich schreibe ihnen wieder, wenn mir ein Artikel besonders gefällt.

Ihr treuer Leser Qualti

Urheberrecht von Gerhard Staflinger - Autor des Buches "1918 - die unwirklichen Geschichten des Herrn Österreicher", das im guten Buchhandel oder auf http://www.Amazon.de erhältlich ist.

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