Literatur

Weltenwertewende Teil5

Von: Dr. Ingeborg Wressnig | 20. April 2020, 15:33

Jetzt heißt`s „dahoambleiben“.

Nicht nur für mich, sondern auch für die meisten Menschen, die nicht für das Überleben der Mitmenschen sorgen müssen.

Ich erstarre.

Wo Schatten ist muss auch Licht sein.

14. April

Eine Hoffnung mehr hat sich bereits erfüllt. Es hat in der Nacht von gestern auf heute geregnet.
Eine zweite Hoffnung hat sich erfüllt. Einige Geschäft durften heute bereits aufsperren.
Wir, „Gefährdeten“ haben noch „Heimurlaub“.

Wo Schatten ist muss auch Licht sein:

Der Genuss nach dem Verzicht ist für jedermann sichtbar hörbar und fühlbar. Es gibt nichts Wertvolleres als unsere Sinne. Haut, Auge, Nase, Ohr und Mund.
Ich plane mit meiner Freundin im Geiste bereits das erste Distanz-Treffen am Schloßberg.
Wenn ich die weltweite Unsicherheit der Entwicklung der Pandemie verfolge fehlt mir jede Form von Vision, jeglicher Glaube an eine Überwindung der weltweiten Krise.
Leben, lebendig sein, jetzt.
Ich suche nach der virtuellen Verbindung zu meinen Kindern.
Anna hat ein herrliches Sauerteigbrot im Creuset Topf in Glasgow gebacken. Rosalie übt mit ihrer Mutter die deutsche Sprache und antwortet auf die Frage, wie ihr das frischgebackene Brot schmeckt: „Ich liebe das weiche, gummiartige in der Mitte und außen ist es hart. Die Mamma ergänzt, ja crusty, mit einer richtigen Kruste. Das findet sie auch.
Mit August in Berlin, spielen wir: „Wer setzt welche Maske auf. Ich bin jetzt der Hund, und ich die Qualle, nein ich bin die Giraffe, die die Zunge raushängen lässt und ich das Schweinchen schlau, dass seine Augen und Ohren verdreht.
Da gibt es genug zu lachen. Das Maskentragen wird noch zur Weltmaskenolympiade ausarten.
Vielleicht sogar interessanter als die 32. Sommerspiele 2021 in. Tokio.
Wie gut kann sich wer hinter seiner Maske verstecken und was sind die Auswirkungen auf die Gesundheit?

Wo Schatten ist muss auch Licht sein:

In Österreich ist 1% der Bevölkerung immunisiert. Es gilt das Niveau der Neuansteckungen gering zu halten. Das Prinzip der Herdenimmunisierung ist falsch. Dazu bekennt sich die Regierung.



15. April


Trump streitet über die „Lockerung der Schutzmaßnahmen“ mit mehreren Bundesstaaten. Er beansprucht eine allumfassende Macht für sich. Das Prinzip „Miteinander Füreinander“ scheint noch nicht im Weiße Haus angekommen zu sein.
Die Demokratie in den USA versagt.
Er beschuldigt, jetzt, inmitten der Krise die WHO, zu spät reagiert zu haben.
Trump liebt Schuldzuweisungen, koste es was es wolle.
Ein Gefühl von aufgestauter Aggression, Freiheitsentzug, Kopflastigkeit quält mich.
Warnsignale, wie vor einer Explosion füllen meinen Bauch.

Raus aus dem Haus, jetzt gleich.



Wo Schatten ist muss auch Licht sein:

Natur pur. Blauer Himmel. Hellgrüne Blätter. Kirschbaumblüten saßen wie Kugeln auf den Zweigen.
Violette Blüten säumten die Stufen die Treppe empor.
Kein Mensch kam mir entgegen.
Heute gehört der Rastplatz auf dem Kogel mir.
Ich besetze die Bank und den Tisch und mache mir Gedanken, wieviel Risiko unser Land, die Welt und mit ihr auch ich, eingehen sollte, könnte, müsste Morgen, nächste Woche.
Wohin soll ich mich wenden. Wo wird auf der Welt die Vorbild - Demokratie gelebt?
Wo ist die Grenze zwischen Dummheit und Demut. Zwischen Sucht und Verzicht. Zwischen Neugier und Trostlosigkeit.
Köstlichkeit und Geschmacklosigkeit.
Leben und Überleben.
Seien wir mutig, hören wir nicht auf an uns, an Europa zu glauben.
Leider zählt mein Beitrag nicht mehr.

Wo Schatten ist muss auch Licht sein:

Ich glaube aber fest an die Fähigkeiten und Werte der Generationen unserer Kinder und Kindeskinder.


16. April,

Vier Wochen später:

Baumärkte offen, Kirchen zu?

Geht das?

Arztpraxen dürfen nur in Notfällen aufgesucht werden

Das virtuelle Kontakt- Tagebuch, die „Stopp Corona“, weist Schwächen auf.
nicht die Corona App. Das weiß doch schon jedes Kind, dass das Allheilmittel der Impfstoff ist und dass wir noch lange auf einen Impfstoff warten müssen. Wozu die Klagen.

Die Klagemauer in Jerusalem hat mich auf meiner ersten Israel Reise sehr beeindruckt.
Klagen ist wichtig, wenn die Angst oder der Schmerz zu groß werden. Der Geist, Körper die Seele müssen immer wieder gereinigt werden, aber irgendwann muss es vorbei sein. Und nicht nur Juden auch viele andere Kulturen, Nationen und Individuen hören nie auf zu klagen. Da stimmt was nicht.

Apropo EU. Jetzt wird sich entscheiden, ob die EU ein wirtschaftliches oder politisches Projekt ist.
Ein Mangel an Solidarität in der EU könnten Populisten an die Macht bringen.

Während der Viruskrise standen für mich in Österreich menschliche Faktoren, wie Solidarität im Vordergrund.
Noch interessiert mich Trumps Ablenkmanöver nicht, ob die Who chinahörig ist oder nicht, mich treibt im Moment der Impuls zur persönlichen Freiheit, Neugierde Richtung Stadt. Die ersten Life-Erfahrung, mit der Öffnung der ersten kleinen Geschäftebeginnt. Ich darf meinen CD- Player abholen. Der Chef persönlich hat mich kontaktiert und mir nahegelegt, dass mein Cd-Player repariert ist. Ab Morgen gibt es zu den Turnübungen am Morgen wieder Chopin.
Ja, das brauche ich heute. Zu Mittag wird es 26 Grad haben eine ungewöhnliche Hitze, hoffentlich am späten Nachmittag mit ein paar Regenschauern.
Ich packe mein Desinfektionsmittel ein, richte meine Mundmaske her, setzte mich ins Auto, fahre auf den halbleeren Straßen Richtung Kunsthausgarage und schon habe ich im 1. Sock einen Parkplatz bekommen.
Der Hauptplatz ist leer und sauber. Da und dort ein kleines Geschäft offen, kaum Kunden. Die wenigen Fußgeher, Radfahrer, hauptsächlich Essenzustelldienste sind sehr höflich. Alle wollen dasselbe, „Social distance“, gesund bleiben.

Ich brauche für meine CD- Player Reparatur nichts bezahlen. Chef und Chefin sind sichtlich froh, wenn ich ihr kleines Geschäft möglichst schnell wieder verlasse.
Stolz trage ich meine kleine Box vor mir her, werfe noch einen Blick auf die Franziskanerkirche und sehe viele Hinweisschilder auf Fensterscheiben: „Verkaufsraum zu vermieten.“

„Wo Schatten ist muss auch Licht sein.“
Die Stadt wird sich ändern, die Menschen auch?

Ich freue mich auf mein Zu Hause.

17. April

„Home Office“ geschlossen.

18. April

Bangen um „Jedermann“, dieses Mal sorgen wir uns nicht um die Infizierten, um das Personal, die Ärzte auf den nicht mehr so überfüllten Intensivstationen, nein dieses Mal machen wir uns Sorgen um Salzburg. Heuer wird keine „Jedermann Aufführung“ im gewohnten Kreis der Künstler möglich sein.
Noch hofft die Intendantin, dass die Macht der Medien, dank der großartigen Künstler, die Macht des Geldes, die Spielregeln der Gesundheitspolitik, besiegen könnten.

Wir alle haben etwas verloren, ohne das man sich das eigene Leben nicht vorstellen kann.
Eine Glaubenskrise?

Wo Schatten ist, muss auch Licht sein

Obwohl wir Maskenpflicht haben, fallen gerade in der Krise die Masken.
Jeder ist, wie er ist.
Die Spannung und die Harmonie der Schauspieler auf der Weltbühne ist wie sie ist, jede, jeder, in seiner Rolle. Das, was wir uns im Leben zusammenkonstruiert haben, wirkt nicht mehr. Die Hüllen fallen, wir stehen nackt auf der Bühne. Wir fangen wieder von neuem an das Leben zu begreifen und zu üben, mit neuen Voraussetzungen umzugehen. Wir lernen nie aus.

Die einen, vor allem die, die existentielle Krisen in ihrem Leben schon bewältigt haben, glauben an sich und die Kraft, die ihnen im Leben schon geholfen hat. Die anderen lösen sich in Selbstmitleid, Schuldzuweisungen auf. Da kann es schnell passieren, dass man die Chancen, die das „Hier und Jetzt“ bietet, versäumt.

Ich zitiere Prof. Lehofer in der Kleinen Zeitung. Die Krise zwingt uns den „Rucksack“ den wir überall hin mitschleppen, zu leeren. Lieblingsgewohnheiten loszulassen.

Mein „Rucksack“ ist schon viel kleiner geworden, aber mit mehr Gelassenheit und Kreativität gefüllt.
Ich hole alte Ressourcen wieder ans Licht.

Ö1 bietet aktuell eine Plattform für Kunstschaffende, denen das Publikum fehlt.

Das bin ich. Ich schreibe gerne und male gerne. Vielleicht interessiert sich jemand für mein Tagebuch und die Bilder, die mein Unbewusstes, in der Zeit der Krise, mich drängt zu erschaffen.

Im Moment hilft mir die eigene Kreativität am besten mich an die Realität anzupassen.
Eine Krise, ist ein Stück Geschichte ohne vorhersagbaren Ausgang.

Wo Schatten ist, muss auch Licht sein

Vor meiner Notausgangstüre hängt ein Schild: Heute am Vormittag die Blumenerde in die halbleeren Töpfe geben, Teppiche saugen, Küche säubern, Wünsche Bedürfnisse als Ehepaar besprechen. Zu Mittag am Tagebuch schreiben, der Rest des Tages lautet“ Lass dich von deiner Kreativität Überraschen“.
Ich darf das Leben noch genießen.
Durch eine Existentielle Krise brauche ich, im Moment noch nicht gehen.

19. April

Patient Corona
Patient Erde
Vor der Krise nach der Krise, Gewinn und Preis

Im Moment gibt es einen Krisengewinner: Das Klima.
Die Erde atmet auf.
Kann der Risikopatient Erde nach der Coronakrise bereits aus der Intensivstation entlassen werden.


Gewinn und Preis ein Balanceakt vor und ein Balanceakt nach der Krise.

Wie handeln wir, wer handelt wie. Wie müssen wir handeln.
Wenn einer sich im System bewegt, kann nichts mehr so bleiben, wie es war.

Wo Schatten ist, muss aber auch Licht sein.

Wie breitet sich das Licht heute in mir aus.
Ich höre, die Regentropfen, die auf das Dach klopfen. Meine Augen leuchten.
Ich lese den Teletext. Öffnen der Grenzen zwischen Österreich und Deutschland im Sommer möglich?
Ein Besuch von unserem Enkel August mit seinen Eltern, da oder dort zwischen Österreich und Deutschland könnte realistisch sein.
Worte können Wunder wirken.
Das Licht wird kräftiger.
Ich glaube auch fest an das Projekt meines Mannes: „Jugendliche aus den griechischen Lagern, nach Österreich zu bringen“.

Ich erstelle einen Zeitplan und lege eine Prioritätenliste mit Öffnung, Ladenschluss und Freizeit an.
Was ich auf keinen Fall vergessen darf ist, dass ich Gast auf dieser Erde bin.
Ich lebe auf Pump, ein Kredit bei dem der Wechselkurs zwischen bleibender Zeit und notwendigen Aktivitäten immer höher wird und dessen Endzeit näher rückt.

Ich beginne den Tag mit einem Spaziergang, mit ganz kleinem Rucksack: einer Wasserflasche, Schlüssel, Taschentuch, Maske, Zeichenblock Stift und Handy.

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