Ruth Klüger: weiter leben. Eine Jugend.
Von: Eva Geber | 22. März 2023, 14:51
Ein Buch der Literatur über die Shoa, das uns herausfordert, tiefer, differenzierter hinzusehen, neue Fragen zu stellen, unsere eigenen Einschätzungen zu hinterfragen.
Ruth Klüger rührt an Tabus, misstraut dem Pathos von Gedächtnisstätten, bei dem sie die Gefahr der Verkitschung wittert. Mit Pathos lässt sich gut lügen. Unsentimental und lakonisch stellt sich Ruth Klüger den Erinnerungen, die nicht verdrängt werden sollen.
Es ist ein Jahrhundertbuch mit dem Ruth Klüger im Kanon der Holocaust-Literatur neben Primo Levi, Imre Kertész, Cordelia Edvardson, Jean Améry steht. Nur, dass es etwas anderes bringt, andere Fragen stellt, uns einlädt, mitzudenken – und das funktioniert ebenso gründlich wie bei allen ihren weiteren Veröffentlichungen und Vorträgen. Es ist eine prononciert weibliche Stimme, eine selbstverständlich feministische, die uns auf Augenhöhe begegnen will, und das auch einfordert.
Für mich war Ruth Klüger eine Lehrererin, die mich ermutigt hat – so wie sie viele ermutigte, die bei ihr studieren durften. Ich verdanke ihr unendlich viel.
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Weiters empfehle ich Alice Munro. Ihre Erzählungen sind ein Muster an Einfachheit, in vorgeblicher Unscheinbarkeit findet sich Tiefe, die uns plötzlich eröffnet und ergreift.
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