Albert Camus: Hochzeit des Lichts

Maria Wölflingseder

Am 7. Nov. jährt sich der Geburtstag von Albert Camus zum 110. Mal - dieses im besten Sinn des Wortes eigensinnigen Denkers. „So leite ich vom Absurden drei Schlussfolgerungen ab: meine Auflehnung, meine Freiheit und meine Leidenschaft.“

Woraus zog er seine Unbekümmertheit und seine Kraft, sich von niemandem vereinnahmen zu lassen und Ideen zu entwickeln, die ihrer Zeit weit voraus waren? Darüber schrieb er vor allem in seinen lyrischen Essays in „Hochzeit des Lichts“ (1938) und „Heimkehr nach Tipasa“ (1954). Hymnen auf die Sonne, das Licht, den Wind, das Meer: „Alles hier lässt mich gelten, wie ich bin; ich gebe nichts von mir auf und brauche keine Maske.“ Seine algerische Herkunft, die Lebenswelt Nordafrikas haben Camus in vielfacher Weise stark geprägt. "Das Elend hinderte mich zu glauben, dass alles unter der Sonne und in der Geschichte gut sei; die Sonne lehrte mich, dass die Geschichte nicht alles ist.“

weiterlesen

7. November 2023

Leander Fischer, Die Doppelgänger, WallsteinVerlag

Leander Fischer Romanautor

"Die Doppelgänger" ist der Folgeroman nach dem Debütroman "Die Forelle", welcher mit dem österreichischen Buchpreis für das beste Debüt ausgezeichnet wurde.

Eine der hervorragenden Leistungen des Autors ist die fachkundige Einbettung globaler und lokaler Fakten, quasi Hintergrundfolie für eine sich langsam entspinnende, unkonventionelle Beziehungsgeschichte. Der Grundton der Erzählung ist m. E. ein melancholischer. Das emotional tiefergehende Sich-Einlassen-wollen/können auf den anderen bzw. die andere fehlt mir persönlich in diesem Roman. Ein Potpourri aus modern speech, Versatzstücken aus dem Wienerischen (bzw. Jiddischen) sowie der SMS-Sprache durchwirkt die bereits a. a. O. zitierte, kreative Schreibweise des Autors. Dies kann insbesondere Studierende und Absolvent:innen des Studienfachs Europäischen Ethnologie begeistern, die kreative Formate und „dichte Beschreibungen“ zu schätzen wissen.

weiterlesen

2. September 2023

M. Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Klaus Dürrschmid

Der Held Marcel schildert seine Suche nach der Wahrheit unter besonderer Berücksichtigung des Mysteriums der Zeit.

Gewiss, das ist kein Geheimtipp und es handelt sich bei diesem Roman-Großprojekt um ganze 7 Bücher und nicht nur um eines, aber was soll‘s: irgendwann muss man die Recherche lesen. Warum nicht jetzt? Der nächste Lockdown ist nicht in Sicht, also fangen Sie heute einfach an – es wird einige Monate oder Jahre brauchen, bis Sie durch sind. Sie erhalten ein grandioses Panorama der Belle Epoque und viele Einsichten in die Geschichte dieser Zeit (Dreyfus-Affäre), in das Wesen von Menschen und ihre Beziehungen. Sie werden auch viel Humorvolles (Spießer in Salons), Tröstendes (Aufhebung der Zeit) und Schockierendes (Männerbordell) finden. Wenn Sie fertig sind, können Sie nicht nur die berühmt-berüchtigte Madeleine-Episode zitieren und über die unfreiwillige Erinnerung reflektieren, sondern über den ganzen Proust-Kosmos verfügen. Wahrscheinlich wollen Sie am Ende von Band 7 nach den Worten „ – einen Platz in der Zeit.“ wieder bei Band 1 anfangen: „Lange Zeit bin ich früh schlafen gegangen.“ ...

weiterlesen

30. August 2023

Auf krummen und geraden Wegen

Dietmar Koschier

Die Lebenswege der Menschen sind so unterschiedlich wie die Streifen von Zebras. Was sie eint, ist das Streben und Suchen - wonach eigentlich? Manche folgen Wasserpredigern, manche fallen auf Weintrinker herein. Die Unterscheidung führt zu Weisheit, Weisheit zu Lebensfreude. Vom Suchen und Finden eines Quäntchen Glücks handelt diese autobiographische Fiktion. (Aus dem Klappentext)

weiterlesen

14. August 2023

Trautes Heim, Simon Konttas, Edition Sonnberg

Trautes Heim

Spannende Ich-Erzählung einer modernen jungen Frau, die ihre Liebesbeziehungen analysiert, um sich selber besser zu ertragen und zu verstehen.

Sigmund Freud gestand einst, die Frage nicht klären zu können: „Was will die Frau?“. Die Protagonistin von Simon Konttas‘ Roman weiß es selber auch nicht. Der Autor legt die Lebensbeichte einer Frau ab, die in sich keine Heimat findet. Prägend werden für sie toxische Beziehungen, die selbstverleugnend ertragen werden. Die Paare bleiben einander durch Äußerlichkeiten oder Neurosen verbunden und verwechseln Verliebtheit mit Liebe und Triebbefriedigung mit Intimität. Die Protagonistin Anna betreibt eine Art Rückschau sowohl über ihren künstlerischen Werdegang und persönlichen Lebensweg als auch ihre charakterliche Reifung anhand sexueller Erfahrung inklusive Phasen suchtähnlicher Selbstbefriedigung. Konttas ist durch einfühlsame, klare, ausdrucksvolle Sprache ein großer literarischer Wurf gelungen! Den schwülstigen Liebesbrief eines Selbstverliebten kann man zum Höhepunkt des Textes und dem unvergleichlich abgründigen Horvat-Zitat „Du entgehst meiner Liebe nicht!“ gleichwertig erklär...

weiterlesen

14. August 2023

Wiener Blut von Rafael Bettschart

Ernestine

Eine Ode an die Unfreundlichkeit: Die Donaumetropole in Anekdoten Gegenwärtig gelten die Wiener als unfreundlich und charmant zugleich. Bettschart hat Aussagen und Sprüche gesammelt und humorvoll abgebildet.

Beispiel: Der legendäre U-Bahnfahrer bei der Durchsage Sehr geehrte Fahrgäste! Anders als beim Adventskalender dürfen bei der U-Bahn alle Türen gleichzeitig geöffnet werden!

weiterlesen

12. August 2023

Carmen zum Leben bestimmt

Carmen zum Leben bestimmt von Ina Klein erschienen im Karina Verlag

Dieses Buch von Ina Klein beschreibt wie ein Mädchen aus eine angesehenen Familie eine schlimme Kindheit aushalten muss. So manche Hinweise wurden gegeben bis endlich eine Lehrerin den Mut hatte gegen alle Widerstände Hilfe zu geben.

Carmen ist gerade einmal fünf Jahre alt, als ihr großer Bruder beginnt, sie an Stellen zu berühren, die tabu sind. Das Mädchen versteht noch nicht, was hier geschieht, instinktiv erkennt sie aber, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Über Jahre hinweg missbraucht Hans seine kleine Schwester und sie schämt sich unendlich, wagt es aber nicht, sich jemanden anzuvertrauen.

weiterlesen

7. Juli 2023

"Die Doppelgänger" Roman von Leander Fischer

Leander Fischer, geb. 1992 in Vöcklabruck

Die Urlausbzeit ist wie geschaffen für eine Lektüre des jüngsten Romans von Leander Fischer „Die Doppelgänger“. Der Roman ist im März 2023 im Wallstein Verlag erschienen.

„Wenn der Frühsommer mit wildem Föhn über die Berge, Hügel, Täler, Flüsse und Wälder herabfällt, den Menschen Kopfschmerzen beschert, das Tierblut in Wallung versetzt und Bäume beutelt, regnet es Zecken. Sie fallen von Büschen und Sträuchern und Stauden, von Kronen, Ästen und Zweigen, auf Rehrücken, Hundeköpfe und Eichhörnchenschweifen, setzen sich fest in Frettchenfellen, landen auf halbwilden Katzen, krabbeln Blutbahnen entlang unter Kinderwagen."

weiterlesen

5. Juli 2023

Ilias

Heinz Roitner

Entscheidende Episoden im trojanischen Krieg

Die Ilias von Homer stellt den Sonnenaufgang der europäischen Literatur dar. Die raffinierte erzählerische Konstruktion, die Dramatik des Geschehens auf der Götter- und der Menschenebene, die Kraft und Direktheit der Dialoge machen staunen. Dazu noch die eingängigen charakteristischen Beiwörter für Götter, Menschen und Natur: die 'rosenfingrige' Morgenröte, die 'eulenäugige' Pallas Athene, der 'Erdumgürter' Poseidon, und so fort. Man sollte aber zuerst eine Inhaltsangabe aus einem Nachwort oder aus Sekundärliteratur lesen zur grundlegenden Orientierung. Ich empfehle z.B. das Büchlein 'Homer und seine Zeit' von Barbara Patzek (C.H.Beck-Wissen). Ich empfehle die Übersetzung von Wolfgang Schadewaldt (insel-Taschenbuch) oder die klassische Übersetzung von Johann Heinrich Voß.

weiterlesen

4. Juli 2023

Wildenkogel

Ursula Lindström

Autor: Annegret Waldner Novum Verlag 2020

Auf zum Wildenkogel! In "Wildenkogel" entwirrt die Hauptperson AnnaLena ein verwobenes Netz von Schicksalen: zu 3 unterschiedlichen Zeitpunkten sind Verwandte von ihr in einem abgelegenen Tal in Österreich verschwunden. Hängt das Verschwinden dieser Menschen irgendwie zusammen? Gibt es eine rationelle Erklärung, die mit dem politischen Engagement der Verschwundenen zu tun hat oder handelt es sich um ein mystisches, nicht rational erklärbares Phänomen? Oder……? Dabei stellt sich AnnaLena auch ihren eigenen Ängsten und Albträumen. Als AnnaLena sich der Auflösung nähert, begibt sie sich selbst in Lebensgefahr. Musikalische Referenzen, Sagen, Legenden und alte Bräuche umrahmen das Geschehen. Detaillierte Beschreibungen der Schauplätze in Deutschland und Österreich stehen in spannendem Kontrast zu den mystischen Elementen der Handlung. Ein Buch, das bildet, zum Nachdenken anregt, aber auch wagt, manche Fragen offen zu lassen. Und ganz nebenbei bekommt man Lust, mal in Osttirol ...

weiterlesen

3. Juli 2023

Daniel Defoe, Robinson Crusoe, Mareverlag Hamburg

Norbert KNOLL

Der Mensch ist ein kulturelles Wesen. Nirgends wird das so deutlich, wie in der literarischen Fiktion des Inseldaseins der Robinsonade.

Wie tief reichen kulturelle Prägungen und kulturelles Wissen? Muss uns das Fremde nicht so lange unzugänglich und unverständlich bleiben, wie wir das Andere an den Denkmustern der eigenen Kultur bemessen? Robinson ist Engländer geblieben, obwohl er 25 Jahre allein auf einer Insel verbracht hat. Er hat nicht vergessen, was zu einem Leben in Yorkshire gehört, was die dort lebenden Menschen als üblich, normal und selbstverständlich im Umgang miteinander empfinden, welche „Formulierungen“ man finden muss - in der Sprache, in der Kleidung, beim Essen, bei anderen alltäglichen Verrichtungen - um Missverständnisse zu vermeiden. Er hat all das nicht vergessen, aber Distanz dazu gewonnen. Die Robinsonade bietet den einzigen neutralen Bezugspunkt, um eine Differenz für das Kulturelle wahrnehmbar zu machen, um Kultur denken zu können und Kulturen oder Subkulturen vergleichbar zu machen, ohne auf Maßstäbe und Bewertungen der eigenen Kultur zurückgreifen zu müssen.

weiterlesen

29. Juni 2023

Die weiße Garde

Heinz Roitner

Kiew in der turbulenten Zeit zwischen 1. Weltkrieg und Bürgerkrieg

Ich empfehle den Roman ‚Die weiße Garde‘ von Michail Bulgakow. Nach dem ‚Brotfrieden‘ zwischen der Ukraine und den Mittelmächten im Februar 1918 wird die Zentralukraine von den Deutschen besetzt, die nach einem Jahr einer unabhängigen Ukraine ein nationalkonservatives ‚weißes‘ Regime unter einem ehemals zaristischen Kosakengeneral einsetzen. Nach dem Abzug der Deutschen im November 1918 übernehmen die Truppen von Symon Petljura für knapp zwei Monate die Macht in Kiew, die hauptsächlich aus ukrainischen Bauern bestehen, sehr viele Juden umbringen und schließlich von den Bolschewiken vertrieben werden. Die Hauptfigur des Romans ist der Arzt Alexej Turbin als ‚Alter Ego‘ des Arztes Bulgakow, der mit seinen Verwandten und Bekannten diese Zeit durchlebt. Der Roman vermittelt das Lebensgefühl in Kiew in dieser äußerst unsicheren und turbulenten Zeit. Hilfreich sind die umfangreichen und detaillierten Anmerkungen des in Moskau geborenen und in Wien lebenden Übersetzers Alexander Nitzbe...

weiterlesen

8. Juni 2023