Frauen, Mütter, Kinder, Versorgung

Männerknappheit, starke Mütter und Wärmestuben

Von: Martha Hansl, Jg. 1944 | 25. Juni 2025, 10:40

Die letzten Heimkehrer sind erst 1955 aus den Kriegsgefangenenlagern nach Hause gekommen. Bis dahin war ja die Männerknappheit in Wien sehr, sehr groß. Und in meiner Klasse waren 50 % der Kinder ohne Vater. Zum Teil wusste man, er ist im Krieg gefallen. Oder man wusste nicht, kehrt er irgendwann einmal heim.
Zu Weihnachten: Es gab nichts zum Schenken. Da hat man eine Kleinigkeit bekommen, nach heutiger Sicht nicht einmal der Rede wert. Man hat sich über selbstgestrickte Fäustlinge oder Socken oder Schals gefreut. Der Großteil dieser vaterlosen Kinder hat auf die Frage, was sie sich wünschen, gesagt, na ja, vielleicht dass der Papa nach Hause kommt, weil die Mama ist ja so allein. Also das hat mich damals als Kind so berührt, weil ich hatte das Glück, einen sehr alten Vater zu haben, der nicht mehr eingezogen wurde in den Krieg. Und da muss ich aber anhängen, dass diese Mütter, diese Frauen ja alleine waren. Und das waren für meine Begriffe, für mein Empfinden, das waren wahre, emanzipierte Frauen, die haben gar keine andere Chance gehabt, mit ihren Kindern oder auch alleinstehend zu überleben, sondern die haben einfach getan aus innerer Kraft, dass sie das Leben bewältigen konnten und dass den Tag mit den Kindern verbringen konnten, so gut es geht. Und das war für mich so ein einschneidendes Erlebnis, dass ich das immer, immer wieder erwähnen möchte. Dass man diese Besonderheit, diese Tapferkeit, diesen Mut, diese Kraft, diese Stärke nach diesem Krieg von diesen Frauen hochhält. Das war eine Sache, die mich sehr, sehr bewegt hat.
Und dann eine zweite Sache: Ich habe in einer Seitengasse von der Mariahilfer Straße nahe des Bahnhofs gelebt. Damals waren noch die Winter voll Schnee und weil keine Autos gefahren sind, sind wir immer runter gerodelt nach der Schule. Und wenn wir da runtergerutscht sind, sind ältere Leute immer diese Straße hinaufgegangen und sind im magistratischen Bezirkshaus bei einer Tür hineingegangen. Das ist das Bezirksamt des 15. Bezirkes, Gasgasse, Staglgasse. Und wir haben immer gefragt, warum gehen diese Leute da hinein? Und wenn´s finster wird, gehen sie wieder heraus. Und das waren die ersten Wärmestuben. Diese alten Leute konnten sich für einige Stunden aufwärmen, weil zu Hause war ja gar nichts zum Heizen da. Und die haben dort einen Tee oder so ein kaffeeähnliches Gebräu bekommen, dass sie sich aufwärmen konnten. Und das war eigentlich der Grundgedanke der heutigen Pensionistenclubs. Und das war auch für mich sehr, sehr berührend. Und die Gründung sollte man der Stadt Wien sehr hoch anrechnen, und das ist ja bis heute weiter geblieben, aber natürlich in einem ganz anderen Stil. Das kann man ja gar nicht vergleichen die Zeit.

Umgebungskarte "Frauen, Mütter, Kinder"

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