Traum 25.5.2020
Von: Gisela Cypris | 9. Dezember 2020, 14:43
Traumskizze
Ich war in einer Arztpraxis, oder eher war es eine Krankenhausambulanz, hatte die Hände voll mit verschiedenen Rezepten und Befunden. Irgendwas war durcheinander gekommen, irgendeine lästige kleine Formalität, die ich klären musste hat mich her geführt, mich hier anzustellen. Hinter zwei Schalterfenstern, die in hüfthohen, hellbraun holzfurnierten Wänden eingelassen waren, werkten mehrere Frauen in medizinische Atmosphäre verbreitender Kleidung.
Am linken Fenster, vor dem ich wartete, wurde gerade eine kleinere Frau mit schwarz-grauen Haaren in einem zweckmässigen Knopf, bedient, eine Routineangelegenheit, die nicht übermäßig lange dauerte, aber trotzdem, Daten mussten eingegeben werden, überprüft und bestätigt. Ich schaute neben mich zum rechten Fenster, dort stand eine große, attraktive Frau in einem leichten hellbraunen Mantel, mit rötlich blonden, kurzen, gewellten Haaren in gleichzeitig leiser, ruhiger und doch irgendwie angespanntem Gespräch mit der Frau hinter dem Schalter, irgendwie ging es um ein Kind, dessen Krankenakte nicht gefunden werden konnte, “Nein, gibts hier nicht. Existiert nicht.” Es war nicht klar, ob es sich unbedingt um das eigene Kind der Blonden handelte.
Inzwischen konnte meine Angelegenheit behandelt werden, ich überreichte meine etlichen Zettel, Belege und Papiere und mein Gegenüber ging damit nach hinten, um es an geeigneter Stelle weiterzuleiten und zu vergleichen, das formal notwendige damit anzustellen, jedenfalls. Die Schalterbeamtin, nennen wir sie mal so, der blonden Frau schien an einem Punkt angekommen zu sein, wo sie nicht mehr weiter wusste, unschlüssig rätselnd hielt auch sie einige Papiere in der Hand, die sie nacheinander betrachtete durchlas, halb vom Sitz erhoben in der Pose, gleich ebenfalls nach hinten zu gehen, wo sich Dinge offenbar leichter klären liessen, als beim Schalter, an dessen Computern, vielleicht aus irgendwelchen Datenschutzgründen, sich wohl nur die elementarsten Daten abriefen liessen. Schließlich stand sie auf, eine kleine etwas stämmigere Frau mit sehr kurzen schwarzen Haaren, und zu einem wandhohen Holzregal mit etlichen Abteilungen, wo wohl Akten, Posteingänge, Postausgänge gelagert waren. In den Posteingängen fand sie offenbar etwas, das von Relevanz war und rief zur Rotblonden einen Satz herüber; ohne besondere Modulation in der Stimme, weder von Empathie, aber auch ohne Grausamkeit, “Eine Meldung ist gerade hereingekommen, dass ein Kind verstorben ist”.
Die Blonde stutzte, brach dann zusammen: sie seufzte kurz leise auf, knickte dann nach hinten auf mich hin, die ich sie auffing und abstützte. Ihr Mantel war herabgerutscht und ich hielt sie an ihrem gelb-braun gestreiften Sweater fest, an Schulter und Hüfte, und drückte sie, zu trösten versuchend, auch wenn ich mich als ihr komplett fremder Person nicht hinreichend Trost zu spenden imstande sah.
Mehrere Krankenschwestern, nennen wir sie mal so, kamen dann dazu und kümmerten sich weiter um sie, medizinisch, aber auch beistehend, und führten sie an einen ruhigeren Platz.
Nach etwas Zeit kam dann hinter meinen Schalter eine andere Frau als vorher, ebenfalls rotblond, und lächelte leicht, wie peinlich berührt, aber auch wehmütig, nicht bitter — reichte mir begrüssend die Hand, mit leicht fragendem Ton, “Gloria ...?” Ich verneinte, sagte meinen Namen, woraufhin sie weiter schmerzlich lächelnd den Kopf schüttelte und erwiderte, “Nein; Gloria. Sie waren gerade Schluchzzeugin”, sie meinte also sich selbst und was eben passiert war und jetzt erst erkannte ich sie wieder in der Dienstkleidung. Ich begrif nicht gleich dieses erstaunliche Wort, “Schluchzzeugin”, war beschämt, auch vor ihrer Fassung, nach diesem offensichtlichen Schlag umstandslos weiterzuarbeiten. Vielleicht war es ein ihr unverwandtes Kind gewesen, das hier Patient und ihr bekannt war, vielleicht aber auch hatte sie aus — Gründen keine Wahl, als sich durchzukämpfen, weiterzumachen. Jedenfalls, sie trug es, nicht mit Gleichmut, aber mit Gefasstheit, nicht stolz, aber sicher nicht gebrochen.
Ich wußte nichts Relevantes zu sagen und begann, mit ihr weiter die Papiere achtsam abzuarbeiten.
Ich wachte auf.
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