Literatur

Adam und ich

Von: Birgit Krenn | 30. April 2020, 08:23

Ein Kurztext über das Unausgesprochene.

Seine Füße sind ungewöhnlich groß. Jetzt erst, wo wir so nebeneinander hergehen fällt mir auf, wie groß sie sind. „Bin ich dir zu schwer?“
„Nein, es geht schon.“ Leg dich auf mich, Adam. Gib mir Gewicht. Lass kein Stück von mir unbedeckt, damit meine Haut nur mehr Adam spürt.
Adam sagt: „Ich weiß gar nicht, wie ich ohne dich zurechtkommen soll.“
Ich denke: „Ich weiß nicht, wie ich es ohne dich aushalten soll.“ Sein Arm ist um meine Schulter gelegt, mein Kopf verschwindet in seiner Armbeuge. Seine Wolljacke kratzt an meiner Wange und riecht nach Adam. Ich bin froh, dass er mein Gesicht jetzt nicht sehen kann.
„Bin ich dir auch wirklich nicht zu schwer?“ Doch, Adam. Gerade jetzt ist es sehr schwer. Adam zieht seinen Schlüssel aus der rechten Jackentasche. Sein Kopf ist zur Seite geneigt. Meine Finger möchten die kleinen Wulste seines Nackens entlang fahren. Ich möchte seine salzige Haut schmecken und mit meiner Zunge in sein flaumbesetztes Ohr kriechen.
Adam öffnet umständlich die Tür. Seite an Seite treten wir ein. Wir sind zu breit. Ich dränge mich an ihn. Halte mich Adam, halt mich fest, dann wird alles wieder gut. Meine Hüfte berührt seinen Hintern. Seinen breiten, gemütlichen Hintern, der ihn in seine Couch zieht. Wir haben keine Übung darin. Ich rutsche in seine Arme. Es ist wie im Film. Mein Gesicht ist rot von der Anstrengung, Adam. Nicht einmal auf die Wange haben wir uns geküsst, kein einziges Mal. Warum nicht, Adam? Ich will meine Lippen auf deine legen und mich von deinem Atem ernähren.
„Möchtest du etwas trinken?“ Dann lacht er entschuldigend. „Allerdings, musst du es dir selber holen“. Dein Lachen wird mir fehlen. „Ein Bräutigam mit Gipsbein. So ein Pech auch.“ „Vielleicht soll es einfach nicht sein.“ Ich kann es mir nicht verkneifen, aber ich sage es leise, damit er mich nicht hören kann. Adam hört mich, aber er schweigt. Sieh mich nicht so an, Adam. Deine Augen sagen mir nur, was ich ohnehin schon weiß. Du musst es lauter sagen, Adam. Adam sagt: „Dann rufe ich wohl besser Renate an, sie macht sich bestimmt schon Sorgen.“ Schick mich nicht fort, Adam. Ich bin noch nicht soweit.
„Ich geh dann. Es ist auch schon spät …“ Es ist zu spät, Adam.
„Danke, dass du da warst. Wir sehen uns dann morgen?“ Nein Adam, niemals mehr.
„Ja, sicher. Bis morgen dann.“ Ich bin eine schlechte Lügnerin.
„Stimmt etwas nicht mit dir?“
„Nein, alles in Ordnung.“ Jetzt steht dir der Schreck ins Gesicht geschrieben. Du weißt es schon Adam, du verstehst es nur noch nicht.
„Eva“, flüstert er und humpelt einen Schritt auf mich zu. Wir umarmen einander, ohne uns zu berühren. Ich reiße mich los. Das Zuschnappen seiner Wohnungstür jagt mich die Treppe hinunter.
Oben sagt Adam: „Ich liebe dich. Ich will dich nicht verlieren.“
Aber vielleicht wünsche ich mir das auch nur

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