Wohnen, sonstiges
Haft wegen NSDAP-Parteibuch im Kohlenkeller
Von: Hr. Koitz | 20. April 2025, 20:43
Ich erzähle die Geschichte meiner Lebensgefährtin, Jahrgang 1927, und die ihrer Mutter:
Es war überall Vernaderung. Am 11. August 1945 ist die Mutter meiner Lebensgefährtin nicht mehr nach Hause gekommen. Die Mutter wurde von neidischen Nachbarn im Matteottihof im 5. Wiener Gemeindebezirk wegen ihrer seinerzeitigen Parteizugehörigkeit zur NSDAP angezeigt, weil diese zu einer Gemeindewohnung kommen wollten. Die schlimmste Erfahrung machte aber die Mutter mit ihrer Schwägerin. Um zu einer Wohnung zu kommen, verriet die Schwägerin den Behörden, dass sich das Parteibuch der Mutter im Kohlenkeller in einem Müllsack befindet. Sie hatte es, im Gegensatz zu den meisten, nicht sofort weggeworfen. Dabei hatte sich die Mutter nie politisch betätigt, im Gegenteil, sie hat als Straßenbahnschaffnerin schwer gearbeitet im Zweiten Weltkrieg (...)
Erst eineinhalb Jahre später kam die Mutter meiner Lebensgefährtin frei, und zwar aus dem Grund, weil die Gerichtsbarkeit langsam arbeitete und weil sich alles als eine reine Verleumdung herausstellte. Zu verdanken hatte sie das der vorher in ihrer Wohnung wohnenden jüdischen Familie, die seinerzeit raus musste aus der Gemeindewohnung und nach England ausgewandert ist. Die hatte nämlich von England aus einen Rechtsanwalt mit der Rechtssache betraut. Daraufhin wurde die Mutter meiner Lebensgefährtin schon am nächsten Tag aus der Haft entlassen.
Die Konsequenzen aus dieser U-Haft waren für meine Lebensgefährtin als Halbweise furchtbar. Sie hatte keine Wohnung, die Elsie, und ist dann auch wegen der fehlenden Schulgeldermäßigungen aus dem Gymnasium geflogen.
Bundesland:
Wien
Übersicht:
Gemeinsam erinnern