Frauen, Mütter, Kinder, Besatzungsmächte

Ich konnte nimmer aufhören zum Schreien

Von: Dkfm. Margarethe Unfried | 3. Juni 2025, 13:37

2 Episoden heikle Begegnungen mit sowjetischen Besatzungstruppen 1945

Auszug aus Interview Dkfm. Margarethe Unfried, *2.5.1937, Weinzierl/Krems 20.8.2023
(Tondok. gesamt ca. 40 min.)
Interview und Transkription: Sohn Berthold Unfried und Enkelsöhne Elias und Leo Himmelstoss

Kriegsende Weinzierl/Krems April 1945:
"Dann kam der erste Russe. Er ist allein gekommen. Er hat unser ganzes Haus abgesucht nach flüchtigen Deutschen. Es waren versammelt im Haus: meine Großmutter, meine Tante mit ihren Kindern, meine Mutter, lauter Frauen, die Männer waren ja noch im Krieg oder in Gefangenschaft. Meine Mutter hat sich aufgebuddelt, dass der reinschaut in alle Kästen, schaut, ob er versteckte Soldaten findet oder Hitlerbilder: "Da ist niemand", und er soll schauen, dass er weiterkommt. Der hat natürlich nicht Deutsch gekonnt, aber an der Gestik und am Wortschwall – auf einmal ist es ihm zu blöd geworden und er hat seine Pistole gezogen gegen meine Mutter. Ich bin hinter ihm gestanden und ich musste annahmen, er erschießt jetzt meine Mutter. Weiß nicht, ob er's getan hätte, glaub eher nicht, aber kein Mensch hätte ihn zur Verantwortung gezogen. Und ich hab zum Schreien angefangen, ich hab einen Schreikrampf gekriegt, ich konnte nimmer aufhören zum Schreien – der hat sich erschrocken, hat sich umgedreht und hat versucht, mich zu streicheln. Er hat seine Pistole weggesteckt und dann haben sie mich mit Wasser angeschüttet, damit ich zum Schreien aufhöre. Dann ist er ohne Weiteres gegangen – gefunden hat er ja nichts."

"Und dann sind welche gekommen, die wollten die Pferde requirieren. Die sind gekommen und haben die Pferde aus dem Stall geführt – und ohne die Pferde waren die Bauern derschossen – einen Traktor oder sowas gab es ja nicht – und wenn die Pferde weg gewesen wären, womit hätten sie gepflügt? Und dann hat sich mein Cousin an die Leitseile der Pferde gehängt und hat die Pferde nicht losgelassen. Sie haben ihn immer wieder weggetan aber er hat sich immer wieder drangehängt. Und ich bin rüber gelaufen zu den Mietern meiner Tante. Er war Leiter vom Gefangenenhaus von Krems. Seine Frau dürfte früher Sängerin gewesen sein und dürfte eine Ostsprache gekonnt haben. Sie ist dann heruntergekommen und hat sich mit den Russen verständigt und die sind dann weitergezogen zum nächsten und haben dem die Pferde weggenommen."

Umgebungskarte "Frauen, Mütter, Kinder"

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Bundesland:
Niederösterreich

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