Spiritual Exercise; Terra Konditionierung; (...)

Von: Alfred Rottensteiner | 27. Juli 2024, 17:14

Alfred Rottensteiner_Spiritual Exercise

Alfred Rottensteiner hat an der Akademie der bildenden Künste in Wien, an der HfbK in Hamburg und an der Central Saint Martins in London bildende Kunst studiert. Zentral in seiner künstlerischen Arbeit ist die Malerei, aus der raumübergreifende Installationen, Videos und Performances entstehen.

In der Arbeit „Spiritual Exercise; Terra Konditionierung; (Fadenspiele und ungetrennte Aktivitäten)“ möchte er einen Systementwurf schaffen, der sich mit den „humanistischen Grundprinzipien“ (Universalität, Diversität, kritisches Denken und moralische Beziehungen) beschäftigt und damit ein Verständnis eines „Multispeziesgewirrs“ (Donna Haraway) und einer „conditio Terra“ (Achille Mbembe) veranschaulichen. (Bakewell 2023, S. 227) (Haraway 2018, S. 50) (Thuram 2021, S. 245) Die „conditio Terra“ steht im Gegensatz zur „conditio Humana“ und betont, dass wir uns bewusst werden, dass wir Menschen eine Einheit mit den Ökosystemen, den Pflanzen und Tieren bilden. Haraway bezeichnet dies als „Terraforming mit irdischen Anderen“. (Haraway 2018, S. 161)
Durch die Betonung der Solidarität innerhalb dieses Systems wird die wechselseitige Abhängigkeit und die kooperative Existenz aller Lebensformen in den Vordergrund gestellt. Solidarität bedeutet hier nicht nur die Unterstützung innerhalb der menschlichen Gemeinschaft, sondern auch die Anerkennung und Achtung der Rechte und Bedürfnisse aller Spezies, die unseren Planeten bewohnen. Diese Sichtweise erfordert ein Umdenken, weg von anthropozentrischen Vorstellungen hin zu einer holistischen Betrachtung des Lebens auf der Erde.
Die Ambiguität der Malerei schafft einen Raum für poetische Erkenntnisse, die oft auf einer emotionalen Ebene wirken und die Sicht auf die Welt verändern können. Georg Eliot betont, dass durch die Betrachtung von Kunst Egoismus überwunden werden kann, weil sich die Individuen „dem zuwenden, was außerhalb ihrer selbst ist und was man als Grundstoff des moralischen Gefühls bezeichnen kann.“ (Bakewell 2023, S. 184) Diese Verbindung mit dem Anderen, sei es Mensch, Tier oder Pflanze, stärkt das Bewusstsein für Solidarität und gegenseitige Abhängigkeit.
Die Selbsterkenntnis führt demnach, wie es auch der antike Philosoph Plotin sagen würde, zu einer „Verbindung mit all unseren Mitmenschen und dem Kosmos als Ganzem.“ (Lewerenz 2024, S. 76) Diese ganzheitliche Perspektive, die alle Lebensformen einschließt, bildet die Grundlage für eine tiefere Solidarität, die über bloße menschliche Beziehungen hinausgeht und die moralische Verantwortung gegenüber dem gesamten Planeten betont.
Indem diese humanistischen Grundprinzipien und die Idee des Multispeziesgewirrs künstlerisch dargestellt und reflektiert werden, wird ein System geschaffen, das Solidarität nicht nur als ethisches Prinzip, sondern als praktische Notwendigkeit in der Beziehung zwischen allen Lebensformen auf der Erde hervorhebt. So wird die Kunst zu einem Medium, das transformative Erkenntnisse und eine neue, solidarische Weltsicht ermöglicht.

Durch die weichgezeichnete Formensprache im Bildraum könnte man meinen, dass der Künstler eine Spray-Technik anwendet. Tatsächlich entsteht dieser Effekt durch einen langwierigen Prozess, in dem mehrere Farbschichten mit Borstenpinseln aufgetragen werden.

Bilddaten: 150x200cm; Acryl, Öl, Öl-Pastelle, Kohle und Buntstift auf Baumwolle, 2023

Quellen:
-Bakewell, Sarah 2023: Wie man Mensch wird. Auf den Spuren der Humanisten. Verlag C.H.Beck oHG, München
-Haraway, Donna 2018: Unruhig bleiben, Die Verwandtschaft der Arten im Chtuluzän, Kampus Verlag Frankfurt/New York.
-Lewerenz, Timm 2024: Philosophie Magazin, Ist die Demokratie auf Sand gebaut? Ausgabe Juni/Juli, PressUP GmbH, Hamburg
-Thuram, Lilian 2021: Das weiße Denken, Edition Nautilus GmbH, Hamburg

Webseite
https://www.alfredrottensteiner.com/

Social Media Seite
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