Literatur, Gesellschaft

Betreff: Leerstände

Von: die Motzknolle | 5. April 2020, 10:00

Ich schreibe seit Jahren immer wieder fiktive Mails an den fiktiven Dr. N.. Themen ("Betreff"): Alles Mögliche, das mir aktuell durch den Kopf geht.
Hier geht es um die Themen Datenschutz und Leerstand von Wohnraum.

Betreff: Leerstände

Sehr geehrter Herr Dr. N.,

manchmal treibt der Datenschutz schon seltsame Blüten… insbesondere, seit es die neue DSGVO der EU gibt. Spam erhalte ich seit deren Inkrafttreten nach wie vor, der Adressenhandel floriert also weiterhin. Und dort, wo Datenschutz sinnvolle Dinge verhindert, gilt das Gesetz… Was für ein Unsinn!
Ich habe neulich darüber in der Tiroler Tageszeitung gelesen. Eigentlich ist es ja erfreulich, dass sogar die ÖVP gegen den Leerstand von Wohnungen (siehe Fußnote 1) vorgehen will… und es ist mehr als ärgerlich, es ist idiotisch, dass die Datenschutzgrundverordnung verbietet, dass die Innsbrucker Kommunalbetriebe die Adressen von leerstehenden Wohnungen weitergeben. Ich bin dem nachgegangen – der innsbrucker Bürgermeister schreibt, es sei schwierig, eine EU-Verordnung zu ändern… Der Zuständige vom Land Tirol schreibt, dass es in Wien in den 80er Jahren bereits einmal eine Leerstandsabgabe gab, die dann wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben wurde…
Natürlich ist es beim Verfassen eines Gesetzes unmöglich, alle Eventualitäten zu vorherzusehen… natürlich ist es schwer, eine Grenze zu ziehen zwischen dem Recht des Einzelnen und dem Wohl der Gemeinschaft. In diesem Fall wurde die Grenze eindeutig falsch gezogen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es die Absicht der Autoren der DSVGO war, eine Leerstandsabgabe zu verhindern. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das im Sinne von Kelsen (siehe Fußnote 2) und seinen Kollegen ist. Dann müsste man eben die DSVGO abändern, und das Gleiche gilt für die Verfassung! Wie man das wohl macht? Bin ich als Einzelne wehr- und hilflos, oder kann ich das, wenn auch mit viel Mühe, veranlassen? Ist der erste Gedanke nur eine Ausrede fürs Nichtstun, oder ist der zweite Gedanke Größenwahn? Dauernd wirft es zwischen diesen beiden Positionen hin und her. Jahre, nein jahrzehntelang bin ich in Lethargie und Resignation versunken, mit gelegentlichen Ausbruchsversuchen. In den letzten Monaten versuche ich wieder, mich zu engagieren, weil ich mein Unglück nicht mehr aushalte. Bitte halten Sie mir die Daumen, dass ich es diesmal endlich schaffe! Auch wenn ich mich oft frage, wozu das alles, wozu tut irgendwer irgendetwas, aus irgendwelchen Gründen neigen die Menschen eher zum Tun, warum eigentlich?
Zurück zur Leerstandsabgabe: Der Bürgermeister und die Landesrätin möchten jetzt ein Forschungsprojekt initiieren. Der Plan ist, von den IKB Daten zu ganzen Straßenzügen (also „anonymisiert“, das wäre rechtlich möglich) einzuholen und diese dann mit Hilfe eines privaten Ingenieurbüros und der Uni Innsbruck zu analysieren. „Ein auffallend geringer Stromverbrauch soll diesen Straßenzügen gemein sein.“ Was für eine absurde Idee! Wie kann man nur davon ausgehen, dass die leerstehenden Wohnungen sich auf bestimmte Straßenzüge konzentrieren?! Warum sollte das der Fall sein?! Nein, die Leerstände verteilen sich nach den Regeln der Statistik ziemlich gleichmäßig über die ganze Stadt. Diese Methode ist also absolut ungeeignet. Kapiert das denn keiner?! Ob es etwas bringt, das den Verantwortlichen mitzuteilen?

Beste Grüße!



(1) https://www.tt.com/politik/landespolitik/15146044/leerstaende-datenschutz-bremst-das-land-tirol-und-innsbruck, aktualisiert am 22.12.18, abgerufen am 12.2.19.

(2) Verfasser der Verfassung von 1920

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