Literatur

Weltenwertewende Teil7

Von: Dr. Ingeborg Wressnig | 28. April 2020, 12:13

Heute ist es soweit:
Jetzt heißt`s „dahoambleiben“.
Nicht nur für mich, sondern auch für die meisten Menschen, die nicht für das Überleben der Mitmenschen sorgen müssen.
Ich erstarre.
Wo Schatten ist muss auch Licht sein.

25. April

In Pflegeheimen soll flächendeckend getestet werden. Mein Bruder wartet noch immer vergeblich auf einen “Tester“. Das wäre eine Abwechslung, die ihm Freude bereiten würde. Sein halbes Leben war er der Arzt und betreute seine Patienten auf der Klinik. Jetzt wäre er Patient und der Arzt kommt zu ihm, um ihm zu helfen sich gesund zu fühlen, um aus der Gefangenschaft der Einsamkeit Schritt für Schritt entlassen zu werden. Ein paar Minuten könnte er einige Worte mit einem Fachmann plaudern.
Nicht einmal im Luftschutzkeller während des Krieges war sie so allein wie jetzt, erzählte eine Großmutter im Heim ihren Kindern.

Ich bin verwirrt. Zu viele Experten, zu viele unterschiedliche Meinungen, Strategien in aller Herren Länder.
Ich trimme mein Gehirn auf Klarheit.

Vorsicht Explosionsgefahr! Wohin tendiere ich.

Bewegung ist angesagt. Raus aus dem Haus und rein in den Wald. Ich sitze auf einem Baumstamm, am Weg auf die Platte. Hinter mir der Wald, vor mir ein Bauernhof und grüne Wiesen soweit mein Auge reicht. Da und dort ein Radfahrer. De Bauer wässert mit seiner Gießkanne seine frisch gesetzten Pflanzen. Natur pur, hinter mir gurren die Wildtauben, vor mir schleicht ein Polizeiauto vorbei.
Kein Lachen von Kindern nur der Wind säuselt durch die jungen Blätter und Gräser. Da und dort Löwenzahn und Vergissmeinnicht. Nein vergessen werde ich diese Tage nicht. Das Blau der Blumen und des Himmels, die suche nach dem Zauberhaften des Lebens, inmitten des Schreckens der Krise.

26. April

Der 8.Mai 1945 beendete den zweiten Weltkrieg und das Naziregime.
Am 8. Mai war ich gerade 6 Monate alt. Eine neue Weltordnung begann.
Am 8. Mai 2020 wünsche ich mir eine Weltenwertewende.
Die im Grundgesetz verankerte Menschenwürde schließt nicht aus, dass wir sterben müssen,
sagte gestern Wolfgang Schäuble, Präsident des deutschen Bundestages. Der Staat muss für alle die bestmögliche gesundheitliche Versorgung gewährleisten, aber Menschen werden weiter auch an Corona sterben.
Wenn es überhaupt einen absoluten Wert in unserem Grundgesetz gäbe, dann ist das die Würde des Menschen.
Da bin ich seiner Meinung.
Wir müssen einen neuen Zaubertrank mixen, aber am Ende die Träne der Freude nicht vergessen.
Ohne Schmerz und Leid kommen wir nicht aus. Aber schmerzfrei sterben zu können ist ein Geschenk.
Es kommt auf die Liebe untereinander an und auf die daraus folgenden Taten ob mit oder ohne Ehrfurcht vor Gott. Daran müssen wir uns immer wieder von Neuem erinnern.

Wo Schatten ist, muss auch Licht sein.

Alle wollen plötzlich stärker als je zurückkehren.
Ich auch. Ob es mir gelingen wird?

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