Frauen, Mütter, Kinder, Heimkehrer

Fenster mit Packpapier und der heimgekehrte Vater

Von: Helga Wöber | 26. Juni 2025, 09:44

Ich bin Jahrgang 1940, und wir waren als Kinder entweder bei der einen Großmutter in Liesing oder bei den anderen Großeltern in Langenlois, mein jüngerer Bruder und ich. Und ich kann mich erinnern, dass hinter einer Türe immer eine Tasche gestanden ist mit der nötigsten Sachen. Wenn die der Fliegeralarm kam, dann mussten wir mit dieser Tasche in irgendeinen Keller. An den Keller kann ich mich in Langenlois nicht mehr erinnern. Und wir haben also jeden Tag zu den Sternen geguckt und gehofft, dass unser Vater aus dem Krieg wieder zurückkommt. Aber wie ich fünf war nach dem Krieg im Herbst hat meine Mutter mich nach Wien geholt und hat mir die Wohnung gezeigt, die ich ja nicht in Erinnerung oder überhaupt nicht kannte. Und da war alles so finster, weil die Fenster alle noch mit Packpapier und Kartons verklebt waren. Und da habe ich mich richtig gefürchtet. Und von diesen verklebten Fenstern habe ich eigentlich in all diesen Geschichten nichts gehört. Mitgedacht. Das muss ich erzählen, wie das bedrückend war, dass kein Licht auf die Straße scheinen durfte wegen der vielen Bomben.
Das muss im Herbst 45 gewesen sein. In meiner Erinnerung, ob es wirklich so war, ich kann meine Mutter nicht mehr fragen, aber das ist mir so in Erinnerung, diese Finsternis in der Wohnung, wenn alles so verklebt war. Und ich kann mich auch erinnern, wir durften dann nach Wien kommen, weil meine Mutter mit der sogenannten Milchfrau die es damals noch gegeben hat - man musste also Milch in einem Geschäft kaufen, wo es nur Milch und vielleicht auch Käse gab - und da ging man mit einer Milchkanne Milch holen. Und diese Milchfrau hat von meiner Mutter versprochen, dass sie jeden Tag für uns Kinder 1/8 oder Viertelliter Milch bereithält. Und da durften wir erst nach Wien kommen.
Unser Vater ist 45 zurückgekommen, und mein Bruder hat ihn begrüßt, so quasi: "Wozu brauche ich einen Vater? Ich hab eh eine Mutter." Also, das muss auch ganz furchtbar gewesen sein für den Vater. Da sagt ein vielleicht dreijähriges Kind zum Vater: „Wozu brauche ich dich? Ich habe eine Mutter.“ Wir haben ja in Langenlois jeden Tag zu den Sternen geschaut und gebeten, dass unser Vater wieder zurückkommt. Also Vater war schon ein Begriff.

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