Frauen, Mütter, Kinder, Besatzungsmächte

Erzählungen meiner Großmutter

Von: Elisabeth Blaickner | 24. April 2025, 11:58

Meine Großmutter, geb. 1913, erzählte mir in den frühen 70ern vom Krieg und danach

Erinnerungen an Aussagen meiner Großmutter aus dem Krieg und der Zeit nachher

Meine Großmutter, geb. 1913, wohnhaft in Friedberg, Steiermark, erzählte mir, dass ihr 1944 zweitgeborenes Kind, mein Onkel, als Baby keine Zucker kannte. Das „Flaschi“ wurde nur mit Milch zubereitet. Als es dann nach Kriegsende – ich weiß nicht ab wann, aber es muss bald gewesen sein, weil mein Onkel das Flaschi noch bekam - wieder Zucker gab und sie sein Flaschi süßte, lehnte er es ab, weil er den Zucker nicht kannte und dessen Geschmack nicht mochte. Mir kam das als Kind in den 70ern wie eine furchtbare Entbehrung vor, dass man keine gezuckerten Sachen essen und trinken konnte, damals gab es noch kein Bewusstsein über die Gefahren von Zucker. Mein Onkel hat mir entsetzlich leidgetan.

An diese Worte meiner Großmutter und ihrer älteren Schwester kann ich mich auch noch gut erinnern:
„Als die Russen kamen, habe wir jede ein Kind genommen und fest mit beiden Armen an die Brust gedrückt, damit sie uns nicht vergewaltigen. Wir hatten Todesangst, und haben gedacht, die müssen unser Herzklopfen hören, so laut kam es uns vor. Dann aber waren es bei uns kinderliebende Soldaten, die die Kinder verwöhnten und uns in Ruhe ließen. Von anderen Frauen hörten wir Grauenhaftes. Vor allem deine =meine Mutti haben sie verehrt. Kleine Soldatenbraut haben sie gesagt zu ihr.“ Es gibt noch ein Schwarzweißbild von meiner Mutter, wie sie als Kleinkind in hohen Schnürstiefeln und Hosen und Jacke im Gras steht und lächelt. Ich kann mich noch erinnern, wie ich dieses Gefühl nie loswurde, dass meine Großmutter einem schlimmen Schicksal entkommen ist, obwohl ich damals nicht verstand, was eine Vergewaltigung war.

Einmal erzählte sie, dass es im Krieg nichts zu essen gab. Ich konnte mir das als Kind in den 70ern nicht vorstellen. „Der Greißler war zu, weil der N.N. im Krieg war und es war eh nichts in den Regalen. Also sind wir in der Nacht auf das Feld geschlichen, haben dunkle Sachen angehabt und uns gefürchtet und haben ein paar Kartoffeln gestohlen. Der ?? hatte eine Kuh und gab uns einen Löffel Butter und wir hatten noch Salz.“ Auch das war für mich eine entsetzliche Vorstellung, dass man nur Salzkartoffeln zu essen hatte. Ich glaube auch, dass meine Mutter deswegen eine große Hingabe zum Kochen entwickelt hat und zeitlebens Neues aus aller Welt ausprobierte.

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