Literatur

Ostern: "... das Grab wird eh nur kurz gebraucht"

Von: Nikolaus Gronau | 10. April 2020, 13:27

Das Ostergeschehen, einmal aus einer etwas anderen Perspektive

Die Angelegenheit war wirklich dringend: Judas Thaddäus, also nicht derjenige, der Jesus an den Sanhedrin verraten hatte, sondern sein Namensvetter aus dem engsten Kreis der Jünger Christi hatte sich verzweifelt an Josef gewendet. Dieser Judas Thaddäus stand in dem Ruf, auch in aussichtslosen Situationen helfen zu können. Und jetzt ging es wirklich um eine schwierige Angelegenheit: Jesus, der erst eine Woche zuvor jubelnd von der Einwohnerschaft bei seiner Ankunft in Jerusalem überschwänglich begrüßt worden war, war von den Schergen des Hohen Rates in einer Nacht- und Nebelaktion festgenommen worden, in einem äußerst bedenklichen Schauprozess zum Tode verurteilt und nach der Urteilsbestätigung durch die römische Besatzung am Kreuz hingerichtet worden.

Er, Josef von Arimathäa, sollte nun das das für ihn und seine Familie vorbereitete, bislang unbenutzte Felsengrab für die Grablegung Christi überlassen und das war ihm eigentlich gar nicht recht. Andererseits wies aber Judas Thaddäus darauf hin, dass es ja nicht für immer wäre, da Christus schon zu Lebzeiten wiederholt darauf hingewiesen hatte, er werde nach nur drei Tagen von den Toten auferstehen. „Eigentlich wird das Grab eh nur übers Wochenende gebraucht“ meinte Judas Thaddäus und so stimmte Josef zwar widerwillig aber dennoch zu und ging zum römischen Statthalter, um die Freigabe des Leichnams Christi zu erbitten.

Tatsächlich trat alles genauso ein, wie es Jesus Christus und die heiligen Schriften angekündigt hatten. Dennoch blieb Josef und seiner Familie die ursprünglich vorgesehene Nutzung des Felsengrabes verwehrt, denn unmittelbar nach der Auferstehung erfolgte eine länger dauernde behördliche Untersuchung des Vorfalls durch die römische Besatzung, die jedoch zu keinem konkludenten Ergebnis führte und daher im Sande verlief. Wenig später wurde die leere Grabkammer dann für die sich bald etablierende junge Christengemeinde in Jerusalem zu einer beliebten Sehenswürdigkeit und ist es geblieben, sodass sich Josef von Arimathäa notgedrungen um eine andere letzte Ruhestätte kümmern musste. Die später über dem Grab errichtete Auferstehungskirche jedoch wurde zu einem der bedeutendsten Heiligtümer der gesamten Christenheit.

Wie bedeutend mag folgende Geschichte veranschaulichen: Bekanntlich achten die christlichen Kirchen dort seit jeher im wechselseitigem Einvernehmen akribisch und neidisch auf die eigenen Gottesdienstzeiten, sowie die der jeweiligen Schwesterkirchen. Klartext: es wurde so oft gestritten, bis der Sultan in Stambul genug davon hatte und per Dekret festlegte, dass der zu einem Stichtag des Jahres 1757 bestehende Zustand unverändert beizubehalten ist. Diese Status Quo Regelung, die ausnahmslos von allen Beteiligten eingehalten wurde, bewirkte angeblich, dass eine damals auf einer Balustrade angelehnte Leiter seitdem stehen geblieben ist. Sie wird als „Status-Quo-Leiter“ bezeichnet.

Übersicht:
Literatur

Übersicht:
Ö1 Kulturforum