Literatur

Weltenwertewende Teil5

Von: Dr. Ingeborg Wressnig | 11. April 2020, 18:51

Heute ist es soweit:
Jetzt heißt`s „dahoambleiben“.
Nicht nur für mich, sondern auch für die meisten Menschen, die nicht für das Überleben der Mitmenschen sorgen müssen.
Ich erstarre.
Wo Schatten ist muss auch Licht sein.

2. April

Wo Schatten ist muss auch Licht sein

Noch nie hat mir der Espresso mit einem Toffe und einem Butterkeks so gut geschmeckt.
Ich sitze am Schreibtisch in meinem Schlafzimmer mit Blick auf die kleine Terrasse.
Ich habe diesen Raum liebgewonnen. Er ist zu einem ganz wichtigen Rückzugsort für besinnliche Stunden geworden.
Ich wunder mich über die Anzahl der Pölster, wohl unbewusst ein Symbol für Gemütlichkeit oder Schmerzlinderung. Für jede Liege und Sitzposition die richtige Unterstützung.

Für den Kopf ein Geburtstagsgeschenk einer Freundin, mit einem Strandbild von Grado.
Für den Nacken die vom Neurochirurgen empfohlene Theraline: love care comfort Rolle. Sehr gut auch für Neugeborene die man auf den Armen schaukeln möchte, zu verwenden.
Für den Rücken die festen, rosa, hellgrünen Stützpölster und falls ich ein Mittagsschläfchen machen möchte, den Nachtpolter.

Mein Hustenreiz fühlt sich Gott sei Dank immer noch gleich an, wie damals vor vielen Jahren, als er begonnen hatte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz experimentiert auf der Titelseite der „Kleinen“ wie man professionell einen Mundschutz auf Nase und Mund schieben muss.
estimmt die Medien:

„Wie kann der „Exit“ aus der Krise gelingen“.

Die Ameisen hinter mir schwirren nur so zwischen Badezimmer und Ankleideraum hin und her. Der Frühling ist eingezogen.

Ich lese: „Zügel lockern, Probegalopp im Handel“

Ich erinnere mich an meine ersten Reitversuche mit meiner Tochter Barbara. Probe Galoppieren ist eine Kunst, um die Wette galoppieren, nicht nur Anstrengung, Training, sondern mit großer Angst besetzt, ein ständiges Risiko aus dem Sattel geworfen zu werden und sich das Genick zu brechen.

Es muss ein „Gesunder Ritt“ werden, koste es was es wolle.

Es muss Schritt für Schritt der Abstand einhalten werdren. Es muss eine limitierte Kundenzahl pro Quadratmetergröße geben. Es müssen Kontrolleure auf den Gebrauch von „Händedesinfektion“ beim Eintreten in ein Geschäft achten.

Gesundheitsexperten haben entschieden, auf Grund der Ansteckungsraten, dass 60 000 Wirte wieder kochen dürfen. Das Abholen der Speisen vor dem Lokal ist möglich.

Vertrauen kann nicht angeordnet werden.
Übung macht den Meister.

Am Abend höre ich noch einige Minuten in den Nachrichten dem verbalen Machtspiel von Herrn Wolf mit dem Gesundheitsbeauftragten des Krisenstabes: Herrn Clemens Auer zu. Herr Auer entschuldigt sich für den selbst verschuldeten „Durcheinander“. Herr Wolf lasst nicht locker.

Wo Schatten ist muss auch Licht sein

Wer keine Fehler in seinem Leben gemacht hat, hat auch nichts gelernt.



5. April


Palmsonntag

Keine Prozession, kein gemeinsamer Gottesdienst, keine öffentliche Brauchtumspflege.

Ich erinnere mich an die Volksschulzeit der Kinder. Auf langen Besenstielen befestigten wir mit Draht die Palmbuschen, die die Kinder mit bunten Bändern und selbstgebastelten Symbolen geschmückt hatten. Die Stiele waren beinahe gleichgroß wie die Kinder.

Die Kindermessen waren für mich bewegende Momente. Bilder die bis heute das „Zauberhafte des Lebens“ behalten haben.

Wir sind noch nicht über dem Berg, predigt Kanzler Kurz.
Der „Leidensweg Christi“ dauert auf alle Fälle noch bis zum Ostersonntag.

Der Leidensweg der verstorbenen Corona Patienten ist sang und klanglos zu Ende gegangen.
Ein Abschied ohne Abschied, im Kreis ihrer Liebsten.
Ihr Leben ist ohne Ritual am Sterbebett und am Friedhof zu Ende gegangen.

Wo Schatten ist muss auch Licht sein

Der behandelte Arzt tröstete die Angehörigen mit den Worten: „Sie war nicht allein, das Personal auf der Intensivstation hielt die Totenwache.“


6. April

Die Karwoche beginnt

Ich wunder mich, wie fröhlich ich bin.
Die Sonne geht gerade unter und schickt noch ihren „Zauber“ in meinen Frühlingsgarten.
Der Tag ist sehr schnell vergangen.
Osterputz, Blumentöpfe ins Freie gestellt, Pflanzen gleichgeschnitten, Blumentöpfe gegossen.

In den Nachrichten zu Mittag, gibt es klare Orientierungshinweise für das Verhalten der Menschen während der Osterfeiertage.

Kurzes Herzflattern.

Mein behandelter Arzt hat seine Praxis geschlossen und die Vertretung hebt ihr Telefon nicht ab. Ich brauche, noch nicht heute, aber für alle Fälle meine lebensnotwendigen Medikamente. Wer weiß wie es weiter geht.
Wie schon so oft, hilft mir meine Tochter und mein Schwiegersohn. Die Ärztin hebt ab und ich bitte sie die notwendigen Rezepte an die Andritz-Apotheke weiterzuleiten.

Wo Schatten ist muss auch Licht sein

Am Abend gebe ich mir selbst Rückmeldung über meine Fröhlichkeit: Alles, was ich mir für heute vorgenommen habe ich erreicht. Auf die Ziele kommt es an.

7. April

Tag der neuen Freiheit: 14. April 2020

Aus, ich kann nicht mehr.

Wo Schatten ist muss auch Licht sein

Genug ist genug. Ich gehe jetzt schlafen.
Ich will nichts mehr hören und auch nichts mehr sehen.Ich bin ein freier Mensch. Selbst wenn es einmal bewiesen wird, dass es Willensfreiheit nicht gibt, genügt mir im Moment meine Fiktion. Nur jetzt nicht resignieren.
8. April

Ich lese: “ Das kopflose Königreich“ Großbritannien, ist im Ausnahmezustand. Boris Johnson mit dem Corona Virus infiziert.

Ich schmunzle.
Darf man noch schmunzeln?


Ich lese über die „ Drive In Kultur in den USA“

„Vergebung zwischen zwei Pylonen“.

In den USA sind die „Drive in Restaurants“, seit jüngster Zeit gekoppelt mit „Drive in Beichten“.
Der Herr Pfarrer sitzt auf einem Hocker am Straßenrand und wartet auf die „Sünder“.

Ist das noch komisch?

Ich muss gestehen, in Zeiten von Corona, freue ich mich schon am Morgen, auf die Zeitung.
Sie hilft mir meinen Humor nicht zu verlieren.
Ich brauche ihn.
Die Hoffnung auf einen gemeinsamen Sommerurlaub mit den Enkeln, kann ich vergessen. Vielleicht gibt es im Herbst ein Wiedersehen.

Wo Schatten ist, muss auch Licht sein:

Das erste Mal Eiersuchen ohne Kinder, ohne Enkeln. Ich bin gespannt wo ich das „Licht“ finden werde.

Heute erkenne ich: Ich bin gesund.


9. April Gründonnerstag


Mit dem Gründonnerstag beginnen die drei Tage von Leiden, Tod und Auferstehung Jesu.

2020 gibt es keine Fußwaschung: Den „12 Aposteln“ werden keine Füße gewaschen und der Papst küsst auch keinen Fuß.

In der Slowakei werden Roma Siedlungen evakuiert, wegen unhygienischer Lebensbedingungen, zum Schutz gegen den Virus. Covid 19 könnte sich unkontrolliert verbreiten.

Wo bleibt die Geste der Demut?

Ich darf zu den Privilegierten gehören. Das Leben meint es gut mit mir.

Nur das Lachen, selbst das Lächeln, merke ich wird auch bei mir von Tag zu Tag eine Rasrität.
Es gibt einfach nichts zum Lachen mehr.
Vielleicht noch da und dort etwas zu lächeln.

Ich lese: „Manche Oppositionspolitiker dürften bereits schwer an Entzugserscheinungen leiden.“

Es gibt die Droge: „Narzissmus“ nicht mehr zu kaufen. Alle Geschäfte sind geschlossen.

Als die Kinder klein waren, haben wir am Gründonnerstag, am Tag des Fastens gerne auf Fleisch verzichtet und bei meiner Schwiegermutter, wo wir jeden Donnerstag zu Mittag eingeladen waren, Spinat mit Spiegelei serviert bekommen. Der Gründonnerstag war jedes Jahr ein Fest-Tag, ein Tag der Vorfreude auf den Osterhasen.

Ein „grünes Bild“, ein italienischer Pfarrer, der Lebensmittel für Menschen die nichts essen, weil sie nichts zu essen haben, sammelt, fesselt meinen Blick.
Die Nachfrage nach Lebensmitteln für Bedürftige seit Beginn der Corona Epidemie in Italien ist auf 50% gestiegen. Aus den Tagen des Fastens sind in Italien, Tage des Mangels geworden.

Wie können wir mit Notlösungen in Notsituationen umgehen. Enthaltsamkeit nicht nur beim Essen, sondern auch bei vorschnellen Urteilen.

Was den moralischen Fortschritt in Hinblick eine gerechtere, humanere, nachhaltigere Welt betrifft, meint Paul Lissmann, wäre es klug mit dem Schlimmsten zu rechnen, aber skeptisch zu bleiben.

Bildungsminister Fassmann, verspricht den Schülern und Schülerinnen gegenüber milde und nachgiebig sein zu wollen.

Wo Schatten is,t muss auch Licht sein

Wie skeptisch muss ich bleiben. Was kann ich tun?

Ich werde mein Trainingsprogramm mit meinem Mann „In bestimmten Situationen milder und nachgiebiger zu sein“ heute fortsetzen.


10.April

Karfreitag: Kreuzigung

Wer ist der König des Virus.

Das Gerede von „göttlicher Strafe“ im Zusammenhang mit dem Virus, muss ein Ende haben.

Das Mitgefühl mit der Natur der Schöpfung braucht die Weltenwertewende.
Niemand hat ein Recht sich die Erde untertan zu machen.

Es gibt wichtigeres zu tun.

Uno Chef Guterres warnt vor nichtstaatlichen Gruppen, die den Zugang zu virulenten Stämmen bekommen könnten.

Die Osze richtet einen Apell an Russland, Ungarn, Rumänien die Türkei
Es darf keine Einschränkung der Medienfreiheit geben.
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Wo Schatten ist, muss auch Licht sein

Die Dunkelziffer von mit dem Corona Virus Infizierten in Österreich ist deutlich niedriger als befürchtet.

Meine psychische Widerstandskraft bekommt Unterstützung. Meine Lebensenergie ist im Steigen.

Heute ist es sommerlich warm. Die letzten Stufen der Himmelsleiter auf meinen Hausberg sind beschwerlich, aber mit Disziplin zu schaffen. Glaub an Dich, an Österreich und an die EU: an den „White Deal“, den Gesundheitsplan und den „Green Deal“, den Umweltplan und bleib auf gesunde Weise skeptisch.

Vielleicht gibt das eine oder andere Wort in meinem Tagebuch das meinen Kindern, Enkeln, oder anderen Menschen, die mein Tagebuch lesen, Kraft für ihre Art von Kreativität im Sinne der Anpassung an die Krise geben kann.

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