same same but different...

Von: Kerstin Bennier | 29. Juli 2024, 11:05

Detailansicht einer Rauminstallation aus Polaroid Fotonachbauten. Diese sind aus Papier, welches handmarmoriert ist mit roter und schwarzer Tusche.

same same but different…
Ein Versuch die Auswirkungen des nunmehr schon über zwei Jahre andauernden Krieges in der Ukraine - anhand verfügbarer Zahlen und Daten der UN - auf unschuldige zivile Opfer künstlerisch zu bearbeiten und Ihnen damit respektvoll Ehre zu erweisen und zu gedenken.

Anhand verfügbarer Zahlen und Daten des UN-Hochkommissariats versuche ich der Zahl der bisherigen, unschuldigen zivilen Todesopfer ein Bild zu geben und Ihnen respektvoll zu gedenken. Die künstlerische Arbeit entstand in Anlehnung an die Wand der Erinnerungen an diejenigen, die für die Ukraine gestorben sind. „same same but different...“ ist eine Installation aus maßstabsgetreu nachgebildeten Polaroid Fotoformaten. Jedes Bild ist ein für sich selbst stehendes Unikat, einzigartig wie der Mensch, für den es im Gedenken steht. Ich verwende dazu die Techniken des Marmorierens mit Tusche auf Papier. Das Ende dieser Arbeit wird mit dem Erreichen der Zahl der zivilen Todesopfer laut UN-Hochkommissariat für Menschenrechte erreicht sein. Bei der Installation im Traklhaus im Feber 2024 waren ca. 6.000 – 7.000 Einzelobjekte verarbeitet. Stand der Einzelobjekt mit Beginn der Ausstellung war 9.066. (aktueller Stand lt. UN-Hochkommissariats für Menschenrechte vom 30. Juni 2024: min. 11.284 zivile Todesopfer, darunter min. 622 Kinder, veröffentlicht Statista Research Department, 11.07.2024).

„Ich werde bis Kriegsende die Produktion an dieser Arbeit aufrechterhalten und dementsprechend die Zahlen regelmäßig angleichen“.

Die Installation ist zweifärbig konzipiert: die schwarzen Bilder symbolisieren die erwachsenen Opfer und die roten Bilder stehen für die Kinder.

Kerstin Bennier / 2024

*

Textauszug zur Ausstellung im Traklhaus von Thomas J. Jelinek | März 2024:

Materialisierte Schattenspuren
Auslöschung, Spuren und Erinnerung

Der schweigende Wald der hängenden Polariods materialisiert die Schatten der zivilen Opfer des brutalen Angriffskriegs Russlands oder seines autokratischen Herrschers auf die Ukraine und zeichnet die Spuren seiner Verwüstung in den Raum.
Laut offiziellen Angaben und Statistiken zählen mit Januar 2024 die zivilen Todesopfer, seit dem Angriff am 24. Februar 2022, allein auf ukrainischer Seite 10.191 – davon sind 573 Kinder.
Jedes einzelne „Polaroid“ das in den Gerüsten hängt oder unter den Betonblöcken der „Namenlosen“ gestapelt liegt, repräsentiert eine tote Person, die in dieser ernsten Landschaft bedacht wird.
Die Installation in seiner kraftvollen Schlichtheit ist ein Mahnmal, das aber bei näherer Anschauung die mehrfachen Schichten existenzieller Wahrnehmung, die Vektoren und Schnittpunkte gedanklicher Vermessung ermöglicht, die weit über das Mahnmal hinausweisen. So ist die Installation eine Landschaft, wie eine Begriffswolke oder Bild-Cloud, die auch ein Medienobjekt ist und gleichzeitig Warnbake1] am Wegesrand des Zeitvektors, der in die Zukunft zeigt und den Schatten der unmittelbaren Vergangenheit mit denen der Geschichte und Zukunft, wie dem Glücklosen Engel2], auf die Wände und Objekte unserer Gegenwart wirft.
...
1] Eine Warnbake ist ein Verkehrszeichen das in der Schifffahrt aber auch im Flug- und Straßenverkehr eingesetzt wird um auf Gefahren, Gefahrenzonen und Hindernisse hinzuweisen, die in der Fahrtrichtung an dessen Rand die Warn- oder Leitbake angebracht ist liegen.
2] Der glücklose Engel ist Titel und Thema eines Gedichts von Heiner Müller 1958 geschrieben der auf Walter Benjamins Engel der Geschichte beruht, den dieser in der Ansicht des >Angelus Novus< einer Skizze von Paul Klee unter dem Eindruck der Katastrophe Nazideutschlands und des zweiten Weltkriegs verfasste, der bekanntlich mit dem Überfall Deutschlands auf sein Nachbarland Polen begann und dessen Schatten hier gemeint ist. In „Über den Begriff der Geschichte“ beschreibt Walter Benjamin 1940 diesen Engel der Geschichte, der sein Gesicht der Vergangenheit zugewendet, auf diese als einzige Katastrophe zurückblickt, die ihm als Trümmer vor die Füße geschleudert werden und deren Verwüstungen er heilen möchte. Aber ein Sturm weht vom Paradies her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat, und ihn unaufhaltsam in die Zukunft treibt. Er schreibt: „Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.“ …


Thomas J. Jelinek / 2024

Webseite
https://bennier.net/

Social Media Seite
https://www.instagram.com/kerstin_bennier/

Übersicht:
Ö1 Talentestipendium Sonderpreis „Solidarität“