Diplomat nach Österreich statt nach Israel

Botschaftertausch als Politmanöver

Die Türkei tauscht den Botschafter in Österreich aus: Der durch seine Kritik an der heimischen Integrationspolitik bekannt gewordene Kadri Tezcan wird durch den Jungdiplomaten Kerim Uras ersetzt. Dahinter steht ein taktisch-diplomatisches Manöver, das sich aber nicht gegen Österreich, sondern gegen Israel richtet.

Morgenjournal, 31.05.2011

Distanz zu früherem Freund

Als Diplomat, der sich nicht immer sehr diplomatisch gibt, ist der türkische Botschafter Kadri Tezcan bekannt geworden, weil er Österreich vorwarf, eine halbherzige Integrationspolitik zu betreiben. Wie man diplomatische Ohrfeigen austeilen kann, ohne den Gegner auch nur zu erwähnen, das zeigt Tezcans Vorgesetzter, der türkische Außenminister, gerade. Und zwar gegenüber dem früheren Freund Israel. Um zu Israel auf Distanz zu gehen, soll jener Diplomat, der als neuer Botschafter in Tel Aviv vorgesehen war, statt nach Israel nun nach Österreich geschickt werden.

Termin kein Zufall

Entscheidend bei diesem Manöver ist der Zeitpunkt, nämlich der erste Jahrestag des israelischen Sturmangriffs auf das türkische Hilfsschiff Mavi Marmara. In Istanbul sind Dienstag Zehntausende auf die Straße gegangen, um gegen Israel zu protestieren und an die neun Menschen zu erinnern, die beim Angriff auf das Schiff getötet wurden. Diese gewaltige Demonstration war seit Tagen angekündigt, und sie liefert die passende Begleitmusik zu dem, was die türkische Regierung erreichen will: den Konflikt mit Israel möglichst lange am Köcheln zu halten.

Arabischer Beifall

In den letzten Monaten ist die Türkei deutlich von der israelisch-freundlichen Linie des Westens abgewichen und hat dafür in der arabischen Welt viel Beifall bekommen. Zwar haben die unerwarteten Volksaufstände in Kairo, Tripolis und Damaskus die türkisch-arabische Annäherung auf eine harte Probe gestellt – doch gerade deshalb bietet sich Israel besonders gut als gemeinsamer Gegner an.

Eiszeit verlängert

Österreich spielt in diesem Zusammenhang eine Nebenrolle. Falls der umstrittene Botschafter Tezcan nun tatsächlich durch den aufstrebenden Jungdiplomaten Kerim Uras ersetzt wird, mag das auch den Bemühungen der Türkei um EU-Mitgliedschaft nützen. Aber die Eiszeit zwischen der Türkei und Israel wird bis auf Weiteres verlängert.

Übersicht

  • Naher Osten