"Schuldenbremse in Verfassung, aber nur mit Sanktionen"

Im Journal zu Gast: Gerhart Holzinger

Wenn die von der Regierung geplante Schuldenbremse tatsächlich in die Verfassung komme, dann nur mit wirksamen Sanktionen, verlangt der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Gerhart Holzinger. Die Politik müsse sich auch im Klaren sein, dass sie damit einen Teil der Budgetverantwortung an das Höchstgericht abgibt.

Mittagsjournal, 19. 11. 2011

Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Gerhart Holzinger, im Gespräch mit Stefan Kappacher

Unter bestimmten Bedingungen

Im Ö1-Interview nimmt der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Gerhart Holzinger, erstmals zur Frage einer Schuldenbremse Stellung. Die Regierung möchte ein Limit für die öffentliche Verschuldung in die Verfassung schreiben. Damit wäre der Präsident des Verfassungsgerichtshofs oberster Hüter des Budgets. Holzinger begrüßt dieses Vorhaben zwar grundsätzlich, es könne aber nur unter bestimmten Bedingungen funktionieren – und zwar mit Sanktionen bei einer Nicht-Einhaltung. "Wenn man so eine Schuldenbremse in der Verfassung regelt, dann muss man meines Erachtens auch klar sagen, was passiert, wenn das nicht eingehalten wird. Alles andere würde der Verfassung schaden und die Glaubwürdigkeit der Politik weiter aushöhlen", so Holzinger.

Mögliche Sanktionen

Eine mögliche Sanktion könnte sein, gesetzliche Regelungen aufzuheben, die dem Budgetplan zuwider laufen. Holzinger warnt dabei aber: "Da kann man nachher nicht sagen: Jetzt hat der Verfassungsgerichtshof zur Unzeit eine Budgetregelung aufgehoben, im Moment passt uns das nicht. Das geht dann nicht. Wenn man eine rechtliche Regelung, eine verfassungsrechtliche Regelung schafft, dann hat das das zur Konsequenz."

Bei Strukturreform optimistisch

Die Festsetzung eines staatlichen Schuldenlimits, soll laut Regierung auch dazu dienen, Strukturreformen zu erzwingen. Trotz des Stillstands, der in dieser Sache seit Jahrzehnten herrscht, gibt sich Holzinger optimistisch, dass das funktionieren kann. Vor allem, was die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit anlangt: "Ich bin seit Jahrzehnten mit dem Thema befasst, hab mich schon oft in meinem Optimismus getäuscht. Trotzdem bleibe ich dabei, dass die Ankündigung, in den nächsten Monaten eine diesbezügliche Regelungsvorlage vorzulegen, eingehalten wird. Und auch auf dem Gebiet des Bildungswesens und des Gesundheitswesens kann ich auch nur hoffen, dass die beabsichtigten Reformen realisiert werden. Eine verfassungsrechtliche Regelung über eine Schuldenbremse kann auch in diesem Zusammenhang zusätzlichen Reformelan mobilisieren."

Mehr Rücktrittskultur bei Korruptionsfällen

Für null Toleranz plädiert Holzinger, was die Häufung der Korruptionsfälle in Österreich anlangt. Wer etwas falsch macht, soll daraus die Konsequenzen ziehen und zurücktreten. Ohne dass er dazu aufgefordert wird, sondern von sich aus. Ein Gutes haben die Korruptionsfälle für Holzinger aber: "Diese äußerst bedauerlichen Vorgänge haben eklatante Schwächen unseres Systems deutlich gemacht. Das ist schon einmal ein Vorteil, dass darüber geredet wird und dass man sich nicht selber in die Tasche lügt und sagt, in Österreich ist diesbezüglich ohnedies alles in Ordnung. Das war auch in der Vergangenheit nicht so, nur ist darüber nicht geredet worden." Der aktuelle Untersuchungsausschuss soll nicht nur lückenlos aufklären, sondern auch ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Korruption „sozialschädlich“ ist, so Holzinger.

Stärkere Mitbestimmungsrechte auf EU-Ebene

Bei der Rettung des Euro wünscht sich der Präsident des Verfassungsgerichtshofs mehr Mitbestimmung durch die Bevölkerung. "Aus meiner Sicht ist es unbedingt notwendig, dass man, wenn es gravierende Veränderungen der Unionsverträge gibt, sich um die höchstmögliche demokratische Legitimation dafür bemüht. Wenn man die nämlich nicht hat, wird das Projekt immer fragiler werden", so Holzinger im Journal zu Gast.