Schweizer Abkommen ist "Schnellschuss"

Doralt: Schwarzgeld-Problem nicht gelöst

Der renommierte Steuerfachmann Werner Doralt hat massive Zweifel an der Qualität des soeben mit der Schweiz geschlossenen Schwarzgeld-Abkommens. Weder sei dies eine steuergerechte Lösung noch werde damit das Schwarzgeldproblem dauerhaft gelöst, sagt Doralt im Ö1 Interview "Im Journal zu Gast".

Mittagsjournal, 14.4.2012

Werner Doralt bei Peter Daser "Im Journal zu Gast"

"Schnellschuss" als Keil in EU-Strategie

Werner Doralt sieht in dem Abkommen einen "Kompromiss, geprägt von der budgetären Zwangslage Österreichs". Und in einer Zwangslage sei es immer schlecht zu verhandeln. Das Abkommen sei "ohne Zweifel" ein Schnellschuss gewesen. Nach Ansicht des Steuerrechtsexperten hätte das Ziel ein Abkommen der EU sein müssen: "Österreich prescht jetzt vor und bringt einen Keil in die Verhandlungen, die die EU führen wollte."

Weiter Schutz durch Anonymität

Doralt kritisiert auch die "steuerpolitischen Kosten" dieses Abkommen, nämlich die Aufgabe der Forderung nach Informationsaustausch. Derartigen EU-Bestrebungen laufe der österreichische Abschluss entgegen. Auch eigenen, österreichischen Interessen diene das Abkommen nicht, führt der Experte aus: "Die Anonymität in der Schweiz schützt den Österreicher, der Schwarzgeld in die Schweiz transportiert, weiterhin." Immerhin werde man nach der ersten Steuerüberweisung aus der Schweiz abschätzen können, wie viel Schwarzgeld dort liegt.

Schwarzgeld-Problem nicht gelöst

Auch von einer dauerhaften Lösung des Schwarzgeld-Problems kann nach den Worten Doralts "überhaupt" keine Rede sein. Der Grund: "Wenn der österreichische Fiskus draufkommt, dass ein Österreicher Steuern hinterzogen und den Geldbetrag in der Schweiz veranlagt hat, dann bekommt der österreichische Fiskus den Zugriff auf die Bankdaten nur dann, wenn er dem Schweizer Fiskus den Namen der Schweizer Bank nennen. Das weiß er aber in der Regel nicht." Daher werde ich das Schwarzgeld-Problem rasch wieder stellen, ist Doralt sicher: "Denn der Österreicher, der in der Schweiz ein Bankkonto hat, kann relativ sicher sein, dass der österreichische Fiskus nie erfährt, welche Bank das ist."

"Euphorie nicht berechtigt"

Dass die Steuermoral durch die vereinbarte Moral steigt, glaubt Doralt nicht, schon eher das Gegenteil. Aber "die betroffenen Leute werden sich ärgern, aber es wird ihnen nichts helfen." Auch an mehr Steuergerechtigkeit will der Experte nicht glauben. Die gefundene Lösung könne nicht gerecht sein und "sie hat auch nicht den Anspruch, gerecht zu sein", so Doralt. Denn wer Steuern hinterzogen hat, komme damit "relativ günstig weg". Der Experte sieht vor allem einen Zweck im Vordergrund: Der Staat habe damit die Möglichkeit, "einen größeren Geldbetrag, den er in Anbetracht der Budgetsituation dringend benötigt, relativ rasch zu lukrieren". Vor diesem Hintergrund sei "die Euphorie der Regierungsparteien und insbesondere der Finanzministerin nicht berechtigt", kritisiert Doralt.

Werner Doralt ist Herausgeber wissenschaftlicher Standardwerke zum österreichischen Steuerrecht und war langjähriger Vorstand des Instituts für Finanzrecht der Universität Wien.