Straßen, Gesundheit, Post

Wirbel um neue Privatisierungspläne

Eine Privatisierungswelle soll die leeren Staatskassen Großbritanniens entlasten und der Wirtschaft lukrative Investitionsprojekte bringen. Fix auf der Liste steht die Auslagerung von Gesundheitsdiensten. Außerdem will der Premierminister das Schnellstraßennetz privatisieren. Die Steuerzahler befürchten steigende Kosten und sinkende Qualität.

Mittagsjournal, 8.5.2012

Bettina Madlener berichtet aus London.

Privates Geld für Straßennetz

"Wie können wir mehr leisten und weniger Geld ausgeben", fragt David Cameron in einer Rede über die Infrastruktur Englands und er hat auch gleich die Antwort parat. Privatfirmen sollen den Ausbau und Betrieb des Autobahnen- und Schnellstraßennetzes in England in die Hand nehmen. "Wir sollten uns fragen, warum zum Beispiel die Wasserversorgung durch privates Kapital von privaten, unabhängig regulierten Energiedienstleistern finanziert ist, das öffentliche Verkehrsnetz aber immer noch staatliche Gelder braucht. Wir müssen uns dringend anschauen, wie wir große, private Investitionen in das nationale Straßennetz ermöglichen können."

Keine Maut

Dabei gehe es nicht darum, den Autofahrern noch mehr Geld abzuknöpfen, betont der Premierminister. Vielmehr solle privates Kapital zum Beispiel von Pensionskassen oder ausländischen Staatsfonds in das Straßennetz geleitet werden, so Cameron: "Es geht nicht darum, überall Maut einzuführen, bestehende Straßen bleiben mautfrei. Wir wollen, dass die Autofahrer mehr für das Geld bekommen, das sie bereits zahlen."

Cameron schneller als Thatcher

David Cameron verschwende keine Zeit, sagt Laura Bradley vom Institute for Public Policy Research, einem unabhängigen Think Tank. Wie sein großes Vorbild Margaret Thatcher habe er neben dem Spargedanken auch ideologische Gründe: "Er hat die gleichen Motive wie Thatcher einen kleineren Staat zu schaffen, aber Cameron geht schneller und breiter vor. Thatcher brauchte eine ganze Legislaturperiode bis die Privatisierung wirklich mit voller Wucht begann, David Cameron ist jetzt schon dabei."

Erfolge und Fehler

Privatisierung muss nicht zwangsläufig schlecht sein. Der Verkauf der Telekommunikation in Großbritannien Mitte der 80-er Jahre war höchst erfolgreich. Die Dienste sind nun weitaus effizienter und günstiger. Der größte und teuerste Privatisierungsflop ist hingegen bis heute der Zugverkehr. Die Bahninfrastruktur wurde jahrelang vernachlässigt, notwendige Investitionen fielen der Profitgier zum Opfer, zahlreiche Pannen und tödliche Unfälle sorgten international für negative Schlagzeilen und den Eindruck, dass die britischen Eisenbahnen unsicher seien. Die Situation hat sich verbessert, das Schienennetz und die Bahnhöfe sind wieder in staatlicher Hand, die Bahnen selbst werden von privaten Anbietern betrieben. Der Staat buttert heute fünf Mal mehr in die Bahn als vor der Privatisierung.

"Regulierung fehlt"

Laura Bradley zweifelt, dass die britische Regierung bei ihren Privatisierungsplänen für die Straße bereits aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. "Es gibt ein großes Risiko, dass die Regulierung fehlt, die die Qualität der Dienste sicherstellt und dass sich die Fehler wie bei der Privatisierung der Bahn wiederholen. Die Kosten der Bahn sind enorm gestiegen, wir haben die höchsten Fahrkartenpreise Europas, und die Leistungen sind im Vergleich sehr schlecht. Man sieht also, dass sehr viel anders al erwartet verlaufen kann."

Post vor Verkauf

Der Premierminister hat schon ein weiteres Privatisierungsprojekt im Auge. Der völlig veraltete, finanziell marode nationale Postdienst Royal Mail soll durch einen privaten Investor den Sprung ins 21. Jahrhundert schaffen. Die Gewerkschaften gehen jetzt schon auf die Barrikaden. Eine Privatisierung sei nicht notwendig und wäre ein Desaster.