Die Sicht des Währungsverweigerers
Zehn Jahre ohne Euro
Großbritannien, einer der hartnäckigsten Euro-Verweigerer, sieht den runden Geburtstag der Einheitswährung mit Erleichterung. Durch die Schuldenkrise fühlt man sich bestätigt, damals die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Notenbank und Vertreter der Finanzaufsicht fordern die britischen Banken auf, sich auf ein Auseinanderbrechen der Währungsunion vorzubereiten.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 3.1.2012
Bettina Madlener berichtet aus London
Niedrige Zinsen, hohe Teuerung
Margaret Thatcher warnte schon zehn Jahre vor seiner Geburt vor dem Euro. Die europäische Einheitswährung werde ein Desaster sein, meinte sie 1990. Heute loben sogar die stärksten Kritiker der eisernen Lady ihren Weitblick, und sind mit vielen Landsleuten froh darüber, dass ihr hoch verschuldetes Land andere Möglichkeiten im Kampf gegen die Misere hat als etwa Irland. Wären wir im Euro, wäre doch alles noch schlimmer, meint der Europa-Experte Iain Begg von der London School of Economics: "Großbritannien nützte seine geldpolitische Unabhängigkeit in der Krise, Euro-Länder wie Spanien und Italien konnten das nicht. So wurde der Leitzinssatz stärker gesenkt als in der Eurozone." Die Bank von England hält den Leitzins bei 0,5 Prozent. Er ist damit seit März 2009 unverändert, trotz einer Teuerungsrate von mehr als 5 Prozent.
Keine Nachteile
Die Londoner Währungshüter halten die anhaltende konjunkturelle Schwäche Großbritanniens für viel gefährlicher als die Inflation. Die Unternehmen profitieren zudem ganz unmittelbar vom freien Wechselkurs gegenüber dem Euro. Das Pfund hat seit 2007 mit einigen Unterbrechungen immerhin 25 Prozent gegenüber dem Euro eingebüßt, das erhöht die Wettbewerbsfähigkeit britischer Exporteure. Auch die Londoner Banker können gut mit der Einheitswährung leben, der britische Finanzplatz hat keinen Standortnachteil erlitten und trägt immerhin neun Prozent zum britischen Bruttoinlandsprodukt bei.
Heißes Eisen Europapolitik
Die Entscheidung damals, dem Euro fernzubleiben, war aber trotz allem nicht wirtschaftlich, sondern politisch motiviert, sagt Iain Begg. "Die Politik Großbritanniens machte einen Beitritt zur Währungsunion unmöglich. Das Vermächtnis einer Dame namens Margaret Thatcher war, dass Europa ein Werk des Teufels ist. Alles was mit europäischer Integration zu tun hat, wird als giftig angesehen." Nicht einmal eine europafreundlichere Labour Regierung unter Tony Blair wagte sich an das heiße Eisen heran, sie hätte niemals die Unterstützung der britischen Wähler für einen Beitritt zur Währungsunion bekommen, meint der Europa Experte.
EU-Skeptiker regieren
Was müsste sich ändern um die Briten in ferner Zukunft doch noch umzustimmen? Ein Ende der Schuldenkrise und ein wirtschaftlicher Aufschwung in der Eurozone wären nicht genug, meint Begg. Erst wenn sich das Kräfteverhältnis von 17 Euro- zu zehn Nicht-Euro-Ländern ändern würde, könnte der Euro zumindest ein Thema sein: "Wenn sich das Verhältnis verändern würde, sagen wird 23 oder 24 gegen vier oder drei, würde Großbritannien an den Rand gedrängt und müsste sich zwangsläufig fragen, sind wir Mitglied im Club oder nicht?"
Hinzu kommt, dass Großbritannien bis 2015 ohnehin von EU-Skeptikern regiert wird. So lange die Konservativen im Unterhaus das Sagen haben, will die Insel mit der Einheitswährung auf dem europäischen Festland nichts zu tun haben.