Obsorge neu: Viel Unzufriedenheit

Seit einem Jahr ist in Österreich die neue Obsorgeregelung in Kraft. Seither können auch nicht verheiratete Väter einen Antrag auf Obsorge stellen - auch gegen den Willen der Mutter. Die Zufriedenheit mit dem neuen Gesetz hält sich allerdings in Grenzen: Weder Mütter noch Väter sind zufrieden, und schon gar nicht die Familienrichter, die für das, was das Gesetz vorsieht, viel zu wenig Personal und zu wenig Geld haben.

Die Beine eines Kindes baumeln aus dem Kindersitz

(c) Armer,dpa

Morgenjournal, 31.1.2014

Ohne Förderung nicht leistbar

Das Gesetz ist gut, aber es kommt zu schnell. Diese Befürchtung der Vorsitzenden der Familienrichter, Doris Täubel-Weinreich, bestätigt sich für viele ein Jahr danach. Richter können Eltern im Zuge einer Trennung zum Beispiel zu einer Erziehungsberatung schicken, doch für die gibt es kein Geld, kritisiert die Richterin: "Da muss was geschehen, da muss eine Förderung gemacht werden vom Familienministerium zum Beispiel, wie die Ko-Mediation gefördert wird, weil sonst funktioniert das nicht. Es steht zwar im Gesetz drinnen, es gibt eine angeordnete Erziehungsberatung, aber die gibt es dann in der Praxis nicht, weil es sich die Leute nicht leisten können."

"Finanziell und emotional belastend"

Dazu kommt: Die Familiengerichtshilfe, die die Familien während der Trennung begleiten soll, gibt es in vielen Gerichtssprengeln noch gar nicht. Dass die Verfahren also schneller gehen, wie die Politikerinnen versprochen haben, sei eindeutig nicht gelungen, sagt Familienrechtsanwältin Christine Kolbitsch: "Wenn jemand den Antrag auf gemeinsame Obsorge stellt, dann wird vom Gericht ein Automatismus in Gang gesetzt. Eine ganze Anzahl von Institutionen werden kontaktiert und eingeschaltet, mit dem Ergebnis, dass die Parteien meistens ein sehr langes Verfahren führen müssen, das natürlich finanziell und auch emotional belastend ist." Außerdem: Wenn Eltern schon streiten, dann heizt ein Antrag auf gemeinsame Obsorge den Konflikt noch mehr an, sagt Kolbitsch.

"Gerichte ignorieren Väter"

Völlig unzufrieden mit der Neuregelung ist die Männerpartei. Für Vorsitzenden Hannes Hausbichler ist sie sogar Betrug an Vätern und Kindern: "Das war wirklich nur fürs Papier, den Vätern die Möglichkeit zu geben, die Obsorge zu beantragen. Denn in der Realität bekommen sie sie praktisch nie. Die einzelnen Gericht entscheiden praktisch immer für die Mutter, sie hören den Vater praktisch nicht an. Sie nehmen seine Äußerungen zur Kenntnis, legen sie ad acta, ignorieren sie. Das kann ich aus hunderten Fällen beweisen." Das sei auch der Grund, warum der Ansturm der Väter bisher ausgeblieben ist, sagt Hausbichler.

"Grundsätzlich kindgerecht"

Kindern und Jugendlichen habe die Neuregelung bisher jedenfalls nichts gebracht, sagt Anwältin Christine Kolbitsch. Die oberösterreichische Kinder- und Jugendanwältin Christine Winkler-Kirchberger ist dennoch zuversichtlich: "Es ist besser, man schafft die Grundlagen und arbeitet dann gemeinsam an der praktischen Umsetzung, als man zögert das sehr hinaus. Aber grundsätzlich liegt hier doch ein sehr kindgerechtes und kinderrechtlich begrüßenswertes Gesetz vor mit einem sehr großen Potenzial." Familienrichterin Täubel-Weinreich hofft, dass die Familiengerichtshilfe, die es ab 1. Juli in ganz Österreich geben soll, auch finanziert ist. Derzeit sei das nicht fix.