VfGH: Obsorge-Regelung verfassungswidrig

Väter von unehelichen Kindern müssen die Möglichkeit haben, die alleinige oder gemeinsame Obsorge zu beantragen, wie verheiratete Väter das auch dürfen. Das hat das Verfassungsgericht entschieden und damit die bestehende Regelung gekippt.

Mittagsjournal, 11.7.2012

Recht auf Antrag

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat sich in Folge eines Antrags des Wiener Landesgerichts für Zivilrechtssachen in seiner Sommersession unter anderem mit der Regelung der Obsorge für uneheliche Kinder beschäftigt. Es geht in dem Urteil nicht um die Obsorge an sich, sondern um das Recht, die Verteilung der Obsorge auf Mutter und/oder Vater gerichtlich überprüfen zu lassen - nach dem Kindeswohl als Maßstab, also was besser fürs Kind ist. Verfassungsgerichtshofpräsident Gerhart Holzinger: Der VfGH hege keine Bedenken gegen das Übertragen der Obsorge unehelicher Kinder gleich nach der Geburt an die Mutter. Allerdings muss danach dem Vater auch die Möglichkeit eingeräumt werden, die Obsorge zu beantragen.

Reparaturfrist bis Ende Jänner

Die bisherige, nunmehr aufzuhebende Regelung - kein Antragsrecht für den unehelichen Vater im Normalfall - sei eine sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung des Vaters eines unehelichen Kindes, und zwar sowohl gegenüber der Mutter dieses Kindes, als auch gegenüber allen Vätern ehelicher Kinder. Diese Regelung verstößt daher laut Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs einerseits gegen das Verbot geschlechtlicher Diskriminierung, andererseits gegen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Beides ist in der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgesehen. Dem Gesetzgeber wird eine Reparaturfrist für dieses Gesetz auferlegt, endend am 31. Jänner 2013.

Beschwerde in Straßburg

Dem aktuellen Verfahren vor dem österreichischen Verfassungsgerichtshof ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vorausgegangen. Bereits zu Jahresbeginn 2011 hatten die Straßburger Richter - auf Beschwerde eines österreichischen Vaters hin - eine Ungleichbehandlung durch das Österreichische Familienrecht festgestellt. Seither haben sich die Regierungsparteien nicht auf eine Reparatur des Gesetzes einigen können, obwohl Österreich dazu verpflichtet ist. Jetzt setzt das heimische Verfassungsgerichts also dem Gesetzgeber, in Wahrheit der Regierung eine Frist. Die Frage, ob die heimische Politik da säumig war, beantwortet Verfassungsgerichtshof-Präsident Holzinger so: "Wir machen unsere Arbeit."

Im Frauenministerium verweist man heute mittag übrigens auf die laufenden Verhandlungen zum neuen Familienrecht. Dabei werde auch die betreffende Regelung behandelt.